Richard Eigner ist ein Künstler der musikalischen, medialen und gesellschaftlichen Transfers. Ob in Feldaufnahmen, Sound-Installationen oder als Produzent: Mit dem von ihm entwickelten Denoising schafft er radikal neue Zusammenhänge und Betrachtungsweisen. Vorgefundenes Material transformiert sich zu eigenen künstlerischen Aussagen.
Zwischen 2008 und 2010 gestaltete Richard Eigner eine Installationsreihe, die sich I’m Sitting In A Room nannte. Sie war angelehnt an die gleichnamige Arbeit des Komponisten Alvin Lucier, der 1969 damit gezeigt hatte, wie seine gesprochene und geloopte Stimme immer mehr vom Raumklang überlagert, also ausgelöscht wurde. I’m Sitting In A Room ebenso wie Robert Rauschenbergs Radierarbeit Erased de Kooning Drawing sind zwei Beispiele der jüngeren Musik- und Kunstgeschichte, die Begriffe wie Original oder Autorenschaft heftig in Frage stellten und den Transit von einem Zustand des Materials in einen anderen thematisieren. Derartige Übertragungen finden sich bei Richard Eigner nicht nur in künstlerischen Kontexten, sondern auch in solchen des Alltags.
2009 erschien mit Denoising Field Recordings sein Debüt-Album unter seinem bürgerlichen Namen auf dem Label Wald Records und seine 2012 veröffentlichte Doktorarbeit nannte sich The Denoising Of Noise, bei der er Stücke von Pierre Henry, Otomo Yoshihide und Merzbow einem Denoising unterzog. Wie Eigner immer wieder herausstreicht: „Denoisen“ hat weder mit Stille noch mit einer musikalischen Dekonstruktion „zweiter Ordnung“ zu tun.
(Ent-)Lärmen
„Denoising“ nennt sich eigentlich ein Effekt, mit dem beschädigte Audiosignale einer Tonaufnahme restauriert werden. Eigner verkehrt diesen Effekt quasi in sein Gegenteil und macht daraus eine eigene künstlerische Praxis, bei der nicht vermeintlich „Störendes“ reduziert wird, sondern eine Art Gegenambiente gebaut wird.
Aus abstrakten Inputs lassen sich so Fragmente aus Melodien, Harmonien oder gesellschaftlichen Situationen herausschälen, die den akustischen „Blick“ auf vorherige Gegebenheiten schärfen. Eigners Denoising zwingt uns dazu, genauer hinzuhören, wodurch zusätzliche Ebenen der Rezeption aufgezogen werden.
Diese installativen Soundscapes lassen sich auf Musikaufnahmen ebenso anwenden wie auf Feldaufnahmen oder öffentliche Räume: so geschehen etwa 2010 am Dach des Linzer Lentos Museums, im Jahr darauf „entlärmte“ er die Viale Donato Giannotti in Florenz, 2012 eine Straße im walisischen Bangor und 2016 ein Schwimmbad in Linz. 2018 war er im kanadischen Sherbrooke, wo er im Rahmen einer Residency am Sporobole Centre En Art Actuel mit der dortigen 16-Kanal-Anlage seine Denoising-Forschungen vertiefte.
Seit letztem Jahr unterrichtet Eigner an der Universität für angewandte Kunst Wien eine Klasse für Klangkunst, die sich u. a. aus theoretischen und künstlerischen Perspektiven mit Verhältnissen von Noise und Stille auseinandersetzt.
Richard Eigner ist diesjähriger österreichischer SHAPE Artist.