Die Logik der Engel

Mouthpiece XXVII

Mouthpiece XXVII

Die Idee des freien Kombinierens mit Hilfe drehbarer Kreisringe erschien mir höchst interessant. Besonders die musikalische Frage, was denn auf einen Kreisring passe. Wie viel Platz ist auf einem Kreisring? Wie verlaufen die Identitätsgrenzen? Wie unterscheidet man den Innenrand eines Kreisrings vom Außenrand eines anderen? Wenn man ein theoretisches physikalisches Modell – ein vorgegebenes Modell – verwendet, dann sind einem auch bestimmte Beschränkungen auferlegt. Die Menge des Materials, das auf einen Kreisring passt und folglich mit anderem Material neu kombiniert werden kann, ist relativ klein, schon allein wegen des zugrundeliegenden physikalischen Konzeptes. Oder haben diese Kreisringe vielleicht riesige Ausmaße?

Kleine, kurze Klangfragmente neu zu kombinieren ist eine Methode, die mir sehr vertraut ist, weil ich sie schon längere Zeit anwende. Bei Llulls „logischer Maschine“ war ich aber vor allem davon beeindruckt, dass sich Begriffe nicht nur mechanisch kombinieren, sondern auch mit Fragewörtern wie zum Beispiel „warum?“ oder „welcherart?“ verknüpfen ließen. Das gedankliche Umkreisen von präzisen Fragen aus verschiedenen Perspektiven wurde so unweigerlich zu einer normalen Art und Weise des Seins. Man muss am Rad drehen, und deshalb müssen Fragen gestellt werden.

Die Austauschbarkeit von „Dauer“ und „Ewigkeit“ erwies sich ebenfalls als eine fruchtbare Entdeckung, vor allem im Kontext einer zeitbasierten Kunst. Der Unterschied zwischen der Erfahrung des Ewigen und einer beliebigen kürzeren Zeitspanne wurde nicht als so wesentlich empfunden, dass man auf einem Kreisring eigens darauf hätte hinweisen müssen. Worin unterscheiden sich eigentlich die Erfahrung der Ewigkeit und das Erleben einer Sekunde? Und wenn dieser Unterschied nicht ausreicht, um die Verwendung von zwei Kreisringen notwendig zu machen, was dann? 

Warum empfinden wir Zeit?

Erin Gee (Übersetzung: Friederike Kulcsar)

Erin Gee

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© Erin Gee
Erin Gee

Erin Gee (*1974, Kalifornien) erhielt ihren Master in Klavier und Komposition an der Universität von Iowa unter Réne Lacuona, Lawrence Fritts und Dale Roberts. In Graz studierte sie bei Beat Furrer. Sie erhielt zahlreiche Preise und Aufträge, u.a. von Ensembles und Festivals wie dem Klangforum Wien, den Bludenzer Tagen der zeitgemäßen Musik, dem Duo Contour und dem Ensemble Piktogramm. Diverse Auftritte führten sie u.a. zum MATA Festival (New York), der R.A.T. Konferenz (Novi Sad) und zum musikprotokoll. Ihr Album Mouthpieces, auf dem sie vor allem mit dem unkonventionellen Einsatz der Stimme arbeitet, erschien 2014.