Der Musik des Komponisten Jorge López eilt seit Jahrzehnten der Ruf voraus, von besonderer Heftigkeit, um nicht zu sagen Gewalttätigkeit zu sein. Das ist natürlich ein Klischee, aber wie so oft gibt es zumindest erläuterbare Gründe dafür.
Oberflächlich betrachtet sind es schon manche Spielanweisungen und Stückdramaturgien, die in diese Richtung weisen. Werke für große Orchesterbesetzungen mit augenund ohrenfälligen Wagnertuben und überwältigender Lautstärke, oder Ensemblegruppen, die gleich im Hochgebirge Freiluftaufführungen bestreiten, wecken beim Publikum Empfindungen des Überwältigtseins. Viel entscheidender aber ist, dass Jorge López sich seit Jahrzehnten mit seiner Musik auf einer Art Spurensuche im Unbewussten befindet und dabei tiefliegende – im Sinne von durch zivilisatorische Muster verdeckte – Schichten unseres Bewusstseins bloßlegt. Und dass es in diesen Schichten von überraschenden Abgründen, unausgelebten Zwängen, verdrängten Ängsten und rabiaten Triebkräften nur so strotzt, macht seine Musik eben so faszinierend und aufwühlend, manchmal auch so abstoßend wie anziehend zugleich.
Die Symphonie Fleuve für solistisches Horn und Symphonieorchester aus 2005 bis 2007, die als Auftragswerk des RSO Wien beim musikprotokoll zur österreichischen Erstaufführung kommt, ist, wie der Titel sagt, „fließend“ im Sinne von unstet, nicht in den Griff zu kriegen, musikalische Schichten und Ebenen ständig sich reiben und verschieben lassend. Jorge López ist noch lange nicht am Ende seiner Arbeit an den Grenzzonen des Unbewussten.