Aria
© David Furrer
Aria (1998-99)

Aria ist ein Stück über die Entfremdung und Wiederbegegnung zweier Menschen, die – so zeigt es eine kurze Szene – einander offenbar einmal geliebt hatten und sich bei dem zufälligen Zusammentreffen erst langsam wieder aneinander herantasten.

Günter Eichs Hörspiel Festianus Märtyrer – Bei geöffnetem Fenster bildet das Zentrum des Stückes neben Texten aus Georges Batailles L'Impossible. Die Szene wird aus der Sicht einer Frau geschildert, von einem Solosopran in drei verschiedenen Klangperspektiven, bzw. es werden drei Klanggesten miteinander konfrontiert.

Die Klanggesten: chromatische Figuren in Zweiunddreißigsteln, sich verändernde lntervallstrukturen in Sextolen sowie sequenzierende Modelle in Sechzehntel. Es sind Elemente eines Strukturmodells – ohne explizit hörbar zu werden – im Hintergrund des Stückes. Alle 42 Takte werden in Ausschnitten wiederholt.

Aria vollführt Grenzgänge zwischen Klingen und Nicht-Klingen. Insofern bleibt Furrer auch dem utopischen Potential seiner früheren Stücke treu: Im atemlosen Stillstand wird erahnbar, was sich jenseits der erstarrenden Subjektivität entfalten könnte.


Frau: Hörst du? Sieh, ich kann zu dir sprechen, als wärst du hier, und liegt doch die Nacht zwischen uns wie ein schwarzes Gebirge, und jeder Augenblick ist eine neue Felswand von Trennung, unübersteigbar, endgültiger mit jeder Stunde! Und dennoch bist du hier, immer näher bei mir, und nie konnte ich so zu dir sprechen wie jetzt. Du kamst aus der einen Einsamkeit und gehst in die andere, – jeder Kuss macht dich fremder, jede Umarmung ärmer --

Ich grüße dich, wie eine Klippe ihren Adler grüßt, der davonfliegt, seine Schwingen werden unsichtbar in der eisigen Ferne; wo seine Kralle ruhte, löst sich ein Stein und fällt in die Tiefe, das ist alles, und die Wälder bemerkten es nicht. Dorthin gelüstet es dich, nach den Wohnungen der Menschen, nach der tröstlichen Sprache des Windes im Geäst, ebenso wie es mich gelüstet.

Höre nicht auf dein Herz und verstopfe mit Wachs deine Ohren, – denn nie wirst du das erreichen, was du ersehnst. Nicht hier und nirgendwo. Aber geh weiter, kehre nie zurück.

Deine Einsamkeit verdoppelt die meine.

Aus: Festianus Märtyrer – Bei geöffnetem Fenster
Günter Eich

Reinhard Kager
Interpret/innen

Komposition: Beat Furrer
Solostimme:
Johanna Vargas
Dirigent: Leonhard Garms

Ensemble Schallfeld
Flöten:
Zinajda Kodrič
Klarinetten: Chiara
Percivati
Saxophone:
Matej Bunderla
Schlagzeug:
Manuel Alcaraz Clemente, Lorenzo Orsenigo
Klavier:
Maria Flavia Cerrato, Patrick Skrilecz
Violine:
Lorenzo Derinni, Anna Lindenbaum
Bratsche:
Francesca Piccioni
Violoncello: Myriam
García Fidalgo
Kontrabass:
Margarethe Maierhofer-Lischka
Klangregie
und Live Electronik: Davide Gagliardi

Termine
-
Location
Helmut List Halle
Konzert
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2023 | Schallfeld Ensemble 2023