NUN für 18 Instrumentalisten und fünf Sängerinnen schrieb ich 1979 als mein erstes Auftragswerk für den Saarländischen Rundfunk. 1985 habe ich unter dem Titel HIN-NUN (weißer Schnee) daraus eine Musik nur für Frauenstimmen entwickelt, in welcher der Klang homogen bleibt, obwohl sich in ihm verschiedene musikalische Gestalten abbilden.
In NUN (Schnee)/HIN-NUN (weißer Schnee) habe ich eine Musik komponiert, die durch Veränderungen eines einzigen weitgespannten sechstönigen Akkordes getragen wird. Diese Akkordstruktur durchzieht in ihren verschiedenen Gestalten das ganze Stück.
Mein Ausgangspunkt war ein Bild. Die weiße Farbe des Schnees verändert sich beim Sonnenuntergang in viele verschiedene sich ablösende Pastellfarben. Da es in meiner Musik keine harmonischen Funktionen, auch nicht im Sinne der Dodekaphonie harmonisch polare Entsprechungen gibt, ist für mich das harmonische Feld einerseits statisch, andererseits in ständigem Fluss begriffen. Das aber rückt bereits die Klanggestalt dieser Akkordfolgen ganz in die Nähe eines klangfarblichen Phänomens.
Die sechs Sängerinnen spielen auch einige Schlaginstrumente. Der Gebrauch der Schlaginstrumente ist seit vielen Jahrhunderten in der koreanischen Kultur eine natürliche Ausdrucksform des Gebetes (Handbewegung).
Der koreanische Dichter Kwang-Kyun Kim spricht in dem lyrischen Gedicht In schneiender Nacht (1938) davon, wie Trauer und Reue des Menschen in immerwährendem Schneefall zur Ruhe kommen. (Weiß ist in Korea die Farbe des Todes, der traditionellen Trauerkleidung.) Aus diesem Gedicht habe ich einige Wörter und Phoneme ausgewählt und diese direkt musikalisiert.
Die Texte lauten:
Schnee – welche Ferne – sehnsüchtig – die Nachricht – in dieser einen Nacht – ohne Stimme (Klang) – fallend – traurig – Spur der Vergangenheit – weißer Schnee (HIN-NUN) – Atem – mein Herz ist voll bis zum Ersticken – ich allein – Herz – Leere – ohne ein Strahl vom Licht und Duft – Lampenschimmer – zurückblickende Reue – Trauerkleid – schneiend – Schicht um Schicht – meiner Trauer – ruhig – kalt sein – eisig kalt sein