Abluzione ist ein transdimensionales Portal zu einem immersiven physikalischen Raum, der die Sinne wie eine Hülle umschließt und mit einer Intensität einwirkt, der man sich nicht entziehen kann. Wer in diesen Raum eintaucht, ist dem Storytelling der Komponistin ausgeliefert, wird in eine von ihr generierte Welt entführt. Mit VR-Audio lässt sich eine (reale oder phantasierte) Wirklichkeit so überzeugend konstruieren, dass die Besucher:innen ‒ dem Konzept der „suspension of disbelief“ entsprechend ‒ die Vernunft ausschalten und sich auf die Illusion einlassen, was eine totale Immersion ermöglicht. Abgeleitet von der physikalischen Erfahrung des Untertauchens in Wasser, bezeichnet der Begriff „Immersion“ nunmehr das Eintauchen in eine Umgebung, die unsere gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht und uns in eine bestimmte Zeit, an einen besonderen Ort oder sogar in eine andere Welt versetzt.
Die faszinierende Welt, die sich hier entfaltet und staunen macht, ist voller Überraschungen. Abluzione ist ein vielschichtiges Werk, das Klang als lebenden Organismus begreift: pulsierende, aus Arpeggios gewobene synthetische Texturen, die sich verändern, ohne sich je zu wiederholen, sich in dichten Soundscapes aufbauen und zusammenballen. Die Hörer:innen befinden sich dabei auf einer Reise zwischen zwei Extremen, dem langsamen Seufzen unaufgeregter Klänge, das schließlich zum drohenden Zischen einer Schlange kurz vor dem Angriff wird. Als würde eine Atempause nur gewährt, um dann mit dem größten Vergnügen erneut zur Attacke überzugehen.
Immersive Performances können als eine Form von partizipativer Kunst eine emanzipatorische Erfahrung sein, wird doch das Publikum zu einem Teil der Live-Performance, die es durch aktives Hören mitgestaltet. Sind wir denn alle nicht-emanzipierte Voyeur:innen, die bloß der Erzählung einer anderen Person folgen wollen? Abluzione bezieht unmissverständlich Stellung, indem es das Simulacrum der Freiheit mit sanftem Zwang verbindet.