Vor 33 Jahren, im Rahmen des Musikprotokolls 1988 konnte ich Alois Hábas 6 Stücke für Sechsteltonharmonium aufführen – in einer Bearbeitung für 3 im Sechsteltonabstand gestimmter Klaviere. Die musikalische Kraft dieser Werke, verbunden mit einer geradezu musikantischen Verspieltheit hatte mich tief beeindruckt.
Damals, vor einem Dritteljahrhundert, galt „Mikrotonalität“ als Spielwiese skurriler Außenseiter. Heute ist es eher umgekehrt: Es gibt immer noch Komponist*innen, die sich aus freiem Willen entscheiden, jene Reduktion des Tonmaterials auf die bescheidenen 12 Tonhöhen pro Oktave hinzunehmen, die die traditionelle Notenschrift (bzw. die Tastatur eines Klaviers) vorgibt.
Sechsteltöne sind nichts Neues, sie sind ein traditionelles Material, mit dem ich in meinen „6 Stücken“ auch durchaus traditionell umgehe:
Da ist der geradezu mystische Reiz der Sechsteltoncluster, wo die eng beieinander liegenden Töne eine glitzernde, metallische Wirkung erzielen – unbeirrt von den tonalen bzw. zwölftönigen Akkorden des Ensembles (1. Stück).
Da gibt es Akkorde aus gleich großen bzw. annähernd gleich großen Intervallen, die langsam um einen Zentralton schrumpfen (bis zum Sechsteltoncluster), sich ausdehnen, wieder schrumpfen usw. (2. Stück).
Wie zufällig endet das 2. Stück mit einem Akkord, der aus übereinander getürmten großen Septimen besteht, die jeweils in 3 gleich große Teile geteilt werden. Ivan Wyschnegradskys „Espaces non-octaviants“ werden hier zitiert. Zu Beginn des 3. Stücks wird dieser Akkord wiederholt, um sich dann Stimme für Stimme in Sechsteltonschritten fortzubewegen – auch diese Technik zitiert Wyschnegradsky. Das Ensemble versucht, die Intonation des Harmoniums zu übernehmen.
Im 4. Stück spielt das Harmonium virtuose Sechsteltonläufe – die Instrumente des Ensembles versuchen, diese Wirkung mit Vierteltonläufen zu imitieren.
Wieder Sechsteltoncluster im 5. Stück: Jetzt kontrastiert vom Ensemble, dessen Linien sich langsam in Sechsteltonschritten dahinspinnen.
Das 6. Stück greift zunächst die tonalen Akkorde des Anfangs auf, das Harmonium verdoppelt zunächst im Einklang, bildet dann aber sechsteltönige Schatten dazu. Im weiteren Verlauf verselbständigen sich diese Schatten, gleiten dahin, schrumpfen....