Lucia Udvardyova: Sie wurden in Hamedan, Iran, geboren und lernten bereits in frühester Kindheit klassische persische Setar spielen. Könnten Sie uns bitte das kulturelle Umfeld, in dem Sie aufgewachsen sind, näher schildern?
Arash Azadi: Hamedan ist eine kleine, alte Stadt mit einer noch tief in der Tradition verwurzelten Bevölkerung. Als ich aufwuchs, hörte ich traditionelle Musik, ob bei uns zu Hause oder im Auto meines Vaters, den ich auch immer Tar spielen hörte. Als Kind wollte ich Gitarre lernen, gab aber dem Druck meiner Familie und Geschwister nach und trat meine musikalische Reise mit der Setar an.
In der Mittelschule rückten dann Programmieren und 3D-Animation immer mehr in den Vordergrund. Auf diese Weise lernte ich die Welt der Spieleentwicklung kennen und entdeckte dabei auch die elektronische Musik und Musiksoftware. Was wiederum meine Familie auf den Plan rief, die mich nunmehr drängte, die Musik aufzugeben und mich auf die Spieleentwicklung zu konzentrieren. In diesem Fall war sie aber nicht erfolgreich, weil ich schon damals die meiste Zeit vor dem Computer saß, um zu komponieren.
LU: Schließlich sind Sie nach Armenien gezogen, wo Sie Komposition und Mastering studierten. Könnten Sie etwas zu den beiden Kulturen sagen, in denen Sie sich bewegen? Wie beeinflusst das Ihre Arbeit und die Rolle, die Sie dabei spielen?
AA: Ich fühlte mich in Armenien vom ersten Moment an wie zu Hause, die beiden Kulturen sind sich ja in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Da ich eine traditionelle musikalische Ausbildung habe, ist es nicht verwunderlich, dass ich mich für die armenische Volks- und Kirchenmusik zu interessieren begann. Dieses Interesse entwickelte sich während meines Studiums am Konservatorium weiter, wurden wir doch immer wieder dazu angehalten, uns mit der traditionellen Musik auseinanderzusetzen und sie auch in unsere Kompositionen zu integrieren. Der Einfluss der Volksmusik auf meine Werke ist jedenfalls nicht zu leugnen, ob er nun deutlich zutage tritt oder sich subtil bemerkbar macht.
LU: Würden Sie sich eher als Komponist bezeichnen, also als jemand, der mit einer Partitur arbeitet, oder als Soloproduzent?
AA: Ich habe als Instrumentalist begonnen und daher Musik immer als etwas betrachtet, das von einem Menschen geschaffen wird. Zwischen einem Komponisten und seinem Werk besteht eine indirekte Beziehung, weil es immer eines Vermittlers, eines Interpreten bedarf. Was auch erklärt, warum ich vom Partituren-Schreiben besessen bin. Mit Partituren meine ich aber nicht nur traditionelle Notation – es kann alles sein, was man auf Papier bringt, Grafiken, Wörter, einfach alles, was diese Beziehung zwischen mir und den Musikern herstellt. In der Welt der elektronischen Musik oder bei Installationen für Galerien, wo man keine Notation braucht, gibt es eine direkte Beziehung zwischen deinen Ideen und den Instrumenten, mit denen du sie umsetzt. Aber auch hier arbeite ich meist mit irgendeiner Art von Partitur, weil ich nur so ein Gesamtbild meiner Erzählung erhalte. Meine liebsten Orchestrierungen sind allerdings diejenigen, die Interaktionen von „Humans“ und „Non-humans“ beinhalten, zum Beispiel Stücke für akustische Ensembles und Elektronik oder Roboter.
LU: Welche Rolle spielen die Technologie und ein analytischer/mathematischer Ansatz in Ihrer Arbeit?
AA: Da ich die Technologie als ein Werkzeug betrachte, mit dem bestimmte Fähigkeiten eines Menschen erweitert werden, war sie für mich und meine Kunst schon immer von großer Bedeutung. Wie die meisten Kinder der 90er-Jahre spielte ich mit Kassettengeräten und Mikrophonen und überspielte die Aufnahmen meiner Eltern. Später in der Schule beschäftigte ich mich mit Programmieren, 3D-Animation, Robotik. Was ich damals gelernt habe, ist mir geblieben und zeigt sich in meinen Installationen und audiovisuellen Performances, denen codegesteuerte Gestaltungsprinzipien zugrundeliegen.
Was die Mathematik betrifft, so ist sie nach der Musik meine zweite Leidenschaft, wie ich mich auch in meinem künstlerischen Schaffen verschiedener mathematischer Methoden und Ansätze bediene. Manchmal geschieht das auf ganz direkte Weise, indem ich mit Gleichungen oder Reihen arbeite, dann wieder kann die Konzeption eines Werkes auf mathematischer Logik basieren.
Die ungekürzte Fassung dieses Interviews finden Sie auf der Shape Website unter http://shapeplatform.eu/