Mit ihrer neuesten Komposition Remnants of Songs … an Amphigory für Viola solo und Orchester hat Olga Neuwirth das nunmehr vierte Werk vorgelegt, in dem sie sich auf sehr persönliche Art mit dem Verhältnis zwischen Solist und Orchesterkollektiv in der Tradition des Konzerts auseinandersetzt. Die Partitur, dem Andenken der amerikanischen Mäzenin Betty Freeman gewidmet, ist für den Bratschisten Antoine Tamestit entstanden. Ihr Titel bezieht sich in leichter Abwandlung auf die Publikation Remnants of Song. Trauma and the Experience of Modernity in Charles Baudelaire and Paul Celan, in dem Ulrich Baer den schockhaften und traumatischen Einfluss spezifischer geschichtlicher Erfahrungen auf künstlerisches Schaffen und kulturelles Gedächtnis untersucht, und kontrastiert ihn mit dem Begriff der „Amphigory“, der im Englischen als Bezeichnung für Nonsense-Gedichte oder unlogische Verse dient. Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Polen von Ernst und spielerischer Leichtigkeit entfalten sich die fünf anspielungsreichen, im Sinne von Charakterstücken konzipierten Einzelsätze, in denen die Komponistin die Erfahrung von Vergangenheit und die Wahrnehmung von Gegenwart auf unterschiedliche Weise musikalisch bricht.