adieu m’amour: Liebe als Abschied von der Liebe, die zu besitzen vermeint; vom Willen, der fremdes Eigenleben sich gleichmacht; von einer Tradition, die als sich entfernende schmerzlich erfahren wird.
Auf weit heruntergestimmten Darmsaiten, die an sich schon einen besonders sensiblen Bogenstrich erfordern, kommen in großer Zahl ungewöhnliche Spieltechniken zur Anwendung (Bogenstrich oberhalb der Griffhand - Mehrklänge durch Streichen im Schwingungsknoten - der mit etwas Überhöhtem Bogendruck tangierte Teil der Saite wird zum Klingen gebracht -eine erweiterte "Fawsett"-Flageolett-Technik, die eine genaue und gleichbleibende Bogenführung an ganz bestimmten Stellen der Saite erfordert usw., Spieltechniken, die allesamt sehr empfindlich sind), in dem Bestreben, die durch lange Übung und Beherrschung der gewöhnlichen Spielarten ins Unbewusste abgesunkene Leistung der dialektischen Bewegung zwischen sensibler Aufmerksamkeit auf die akustisch-mechanischen Eigenschaften des Instruments und aktiver/reaktiver Anpassung des Spielers wieder fürs Bewusstsein zu aktualisieren. die Fähigkeit, Fremd-Vertrautes nach eigenem Gesetz leben zu lassen, zum eigenen Willen in "immer freiern und innigern Zusammenhang" (Hölderlin) zu bringen. Vereinzelte Töne ziehen, durch den großen spieltechnischen Aufwand und die umständliche Rücksicht, mit der sie vorgetragen werden, die ganze Aufmerksamkeit auf sich, lösen sich mit sanfter Eigenmächtigkeit aus ihrem übergeordneten Zusammenhang (Dufays adieu m'amour), wie die Liebe ihre Vernunft darin hat, über dem Individuellen die Forderung der Vernunft, die aufs Allgemeine aus ist, zu vergessen; sie signalisieren zugleich Zerstückelung, Teilung, Trennung und sind gemeint als Verbeugung vor einer geliebten Tradition, an die wir nicht heranreichen, die sich dem besitzerischen Zugriff entzieht, sich nicht rekonstruieren lässt.