Kunst ist der Schlüssel, mit dem Künstler Bilder über die äußere Welt kreierten, um sie zu dekodieren, mit der Erkenntnis und der Entschlüsselung des biogenetischen Codes wird jeder Mensch - zwangsweise - zum Künstler, jedoch in einer noch tief greifenderen Bedeutung, als dies erstmals von Joseph Beuys erkannt worden ist. Der Mensch wird zum objektiven Zeugen der Codierbarkeit seines subjektiven Selbst. Diese, unsere radikale neue Befindlichkeit ist der Kern der gesamten informationsmodernen Wirklichkeit.
Richard Kriesche : Richard Kriesche ist ein weiteres Projekt innerhalb der Konzeption von datenwerk: mensch, das den Datenverarbeitungsprozessen des Lebens selbst verpflichtet ist. Im datenwerk : mensch entgrenzen sich nicht nur die Wissenschaften zum Künstler hin und vice versa, sondern auch das forschende Subjekt entgrenzt sich zum lebenden Objekt. Dementsprechend sind Biomediziner und Infokünstler gleichzeitig die Subjekte und Forschungsobjekte ihrer künstlerischen Wissenschaft und wissenschaftlichen Kunst.
Vor diesem neuen Hintergrund der Erkenntnisse über die informationell-biogenetische Natur des Menschen, treten die bisherigen Kunstkonzeptionen, Kunstpraxen und Kunstsysteme endgültig aus der Geschichte heraus, als Bedeutungs-, Sinn- oder Unsinnsträger war ihnen allen eines gemeinsam: Sie standen in Antithese zur Natur. Auf der Ebene der bio-informationell codierten Wirklichkeit stehen sie vor einem universalen Paradigmenwechsel, aus dem nicht erneut eine „neue" Kunst im Widerspruch zur Natur, sondern die „Natur der Kunst" hervorgeht.
Immer mehr Lebensprozesse, selbst die innersten, werden verdatet, berechenbar, damit kontrollierbar und von außen für jedermann steuerbar. Und weil sie codiert und damit berechenbar sind, müssen sie, so mein Postulat, daher zu allererst für das Individuum erkennbar, d.h. dekodierbar sein. Spätestens jetzt wird Kunst selbst zum Code des informationsmodernen Menschen, um seiner inneren, subjektiv erfahrbaren Welt gestaltend begegnen zu können. [Diese informationsund biotechnologisch gestützte Kunst erfordert das eigene Selbst als primären Gegenstand von Forschung und Kunst. Ein später Nachruf auf die Avantgarde (!)] seit wir wissen, dass der Mensch durch Information geformt wird, ist es der Kunst vorbehalten, Informationen dem Menschen gemäß zu formen. Keinem Individuum kann es in Zukunft erspart bleiben, die Verantwortung für die „Verrechnung des Lebens" zum entscheidenden Teil selbst zu übernehmen, d.h. die Bilder über sich selbst zu decodieren - denn der biomedizinische Fortschritt zwingt das Individuum, kraft der Kontrollierbarkeit seines gesamten Biokapitals mit diesem vernünftig, also sparsam und rational umzugehen. Oder anders ausgedrückt, die Gestaltung eben dieses Biokapitals selbst vorzunehmen. Mit Gestaltung kommt Kunst, in ihrer bisher noch nie gekannten existenziellen deutung, ins Spiel. Kontrolle in der Nutzung des eigenen Biokapitals heißt gesellschaftspolitisch, ständige Vorsorge als Notwendigkeit für jedermann. Kunst als Lebensgestaltung kommt als Lebenskunst - parallel zu Livescience- zu ihrer ultimativen Bedeutung. Mit Richard Kriesche : Richard Kriesche wird Kunst auf ihrer Höhe, die der neuen künstlerisch-wissenschaftlichen Praxispositioniert.