SABIWA im Gespräch mit Susanna Niedermayr
Susanna Niedermayr: Du bist in Taiwan aufgewachsen und hattest dort als Kind Cello-Unterricht, in einem Aquarium in Taiwan hattest Du dann eine erste prägende audiovisuelle Erfahrung.
SABIWA: Ja, im Süden von Taiwan gibt es dieses riesige Aquarium, durch das ein Tunnel führt. Wann man in diesem Tunnel steht, dann befindet man sich inmitten dieser gigantischen Unterwasserwelt. Der Großteil dieser künstlichen Unterwasserwelt wurde mit seichter klassischer Musik beschallt, es gab aber auch einen Ort, wo die Klänge, die im Becken zu hören waren, nach außen projiziert wurden. Diese Klänge zu hören, während die Fische über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher hinwegschwammen, war, ja, ein sehr prägender Moment, der mir eine neue Perspektive eröffnet hat.
SN: Deine Werke heute, auch Island no. 16 – Memories of Future Landscapes, sind immer ein Zusammenspiel verschiedener Kunstformen.
S: Schon als Kind habe ich alles mögliche gemacht, ich bin auch auf eine Sportschule gegangen, um Judo-Meisterin zu werden. Ich habe Cello gelernt und wieder damit aufgehört, um mich ganz der Feinbäckerei zu widmen. Mit 22 Jahren, nachdem ich nach Europa gezogen war, hab ich mir dann meine erste Kamera zugelegt. So bin ich auch wieder zur Musik gekommen, denn ich brauchte für meine Videos ja Soundtracks.
SN: Wo befindet sich das „Island no. 16“?
S: Es ist ein Ort in meiner Erinnerung. Während der Corona-Pandemie war ich eineinhalb Jahre in Taiwan. Dort habe ich begonnen, alte Aufnahmen durchzuhören. Auch Gedichte, die ich früher geschrieben habe, sind in dieses Album eingeflossen. Ich wollte eine Art Dokumentation über das zukünftige Taiwan machen, in der auch die taiwanesische Sprache eine wichtige Rolle spielen sollte, denn sie droht zu verschwinden. Im Süden sprechen noch viele taiwanesisch, weiter nördlich immer weniger. Wenn die taiwanesische Sprache verschwindet, dann geht auch viel von unserer Tradition verloren.
SN: Du hast dann noch zusätzliche Aufnahmen gemacht, es sind aber auch Field Recordings von KINK GONG in die Stücke für dieses Album eingeflossen und im letzten Stück Hermaphrodite ist Dein Onkel zu hören, ein indirekter Verweis auf das angespannte politische Verhältnis zu China.
S: KINK GONG hat in den vergangenen rund 20 Jahren die traditionellen Musiken verschiedener indigener Völker Südostasiens aufgenommen, für das Stück „Christal“ hat er mir Aufnahmen aus Laos zur Verfügung gestellt. Während der Pandemie habe ich Familienmitglieder kennengelernt, zu denen ich davor keinen Kontakt hatte. Ich habe herausgefunden, dass ich einen Onkel habe, der Sänger und auch Gesangslehrer ist. Er hat ein taiwanesisches Lied für mich eingesungen, das eine Zeit lang verboten war. Es erzählt von der japanischen Kolonialherrschaft. Dieses Lied diente der Taiwan-Unabhängigkeitspartei, der mein Onkel angehörte, als Protest-Song. Es ist am Ende des Stückes Hermaphrodite zu hören.
SN: Die Musik auf Island no. 16 – Memories of Future Landscapes klingt gleichermaßen archaisch wie futuristisch …
S: Viele der Orte, an denen ich Aufnahmen gemacht habe, existieren mittlerweile so nicht mehr. Sie existieren nur mehr in der Erinnerung. Wir versuchen unsere Erinnerungen mit Hilfe unserer diversen digitalen Gerätschaften zu konservieren. Auch deswegen wollte ich neben den Field Recordings elektronische Klänge benutzen. Und natürlich hallt unsere Vergangenheit immer in die Gegenwart hinein. Dabei verändert sich unser Bild von ihr. Und auch die Geschehnisse, an die wir uns nicht mehr erinnern können, wirken in uns nach. Es ist ein großer Mix, auch davon erzählt dieses Album.