The Falling Man
Aho Ssan
The Falling Man

The Falling Man ist eine dreiteilige Komposition, die existentielle Fragen aufgreift und einem Sprung ins Ungewisse gleicht. Der Titel nimmt Bezug auf ein berühmt gewordenes Foto, das von Richard Drew während des Terroranschlags auf das World Trade Center aufgenommen wurde. Meine während der Coronakrise entstandene Komposition reflektiert, inwieweit sich eine Verbindung zu den Ereignissen herstellen lässt, die seit über einem Jahr unser Leben bestimmen. Als eine Art Gegenentwurf zu jenem berühmten Foto sollte jedoch meine Geschichte ein glücklicheres Ende finden.

 

Hommage an einen Freund 

Ich wollte mehr erfahren, über den kurzen Text, den uns Aho Ssan zugeschickt hatte, er warf so viele Fragen auf. Via Videokonferenz trafen wir uns zu einem Gespräch. Warum er sich mit dem Stücktitel auf dieses Foto bezog, fragte ich ihn, was dieses Foto für ihn bedeuten würde. Darauf zu sehen ist ein Mann, der in einem der oberen Stockwerke des in Flammen stehenden World Trade Center aus dem Fenster gesprungen war und nun in die Tiefe stürzte. Er könne sich gut an den 11. September 2001 erinnern, so Aho Ssan, obwohl er damals noch ein Kind war. Als er nach der Schule nach Hause kam, erzählte ihm seine Mutter schockiert und unter Tränen, was passiert war. Er sei zu jung gewesen, um das Ausmaß dieses Ereignisses verstehen zu können, aber die unmittelbare Gewissheit, dass hier gerade etwas Ungeheuerliches, etwas Unbegreifliches geschehen war und das Gefühl des Schmerzes, den er dabei empfand, brannte sich in sein Gedächtnis ein.  

Vor fünf Jahren sollte Aho Ssan an diesen Moment erinnert werden, als ein enger Freund sich für den Freitod entschied. Und nun, nachdem ihm so plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen worden war, befand er sich selbst im freien Fall, stürzte hinab in die Leere, einer ungewissen Zukunft entgegen, denn auch der Tod seines Freundes war ungeheuerlich, unbegreiflich. Davon erzählt der erste Teil des Stückes The Falling Man, dem eine intensive Auseinandersetzung folgt. Es wird dunkel. Ich erfahre, dass der Freund ein Talent zum Schreiben hatte und sehr selbstkritisch, vielleicht zu selbstkritisch war. Er aber, so Aho Ssan, fand seine Texte großartig und inspirierend. Und die beiden verband die Liebe zum Hip Hop. Diese sollte im zweiten Teil des Stückes nun auch musikalisch im Vordergrund stehen. An der Schwelle zu Teil 3 weitet sich der Blick. Erst die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglicht den Schritt in eine hellere Zukunft.  

Und welche Verbindung besteht nun zwischen dieser so persönlichen Erfahrung und unser aller Erleben der Corona-Pandemie? Seine Musik soll nie nur von ihm selbst handeln, so Aho Ssan, denn Gefühle sind universell und alles ist politisch. Auch nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie hätten wir uns doch im freien Fall befunden, einer ungewissen Zukunft entgegen, bevor wir nach einer intensiven Auseinandersetzung unsere Leben neu zu ordnen begannen.

Eigentlich würden wir uns noch immer im freien Fall befinden, entgegne ich einem spontanen Gedanken folgend, denn auch der Ausgang der Klimakrise und des massenhaften Artensterbens ist völlig ungewiss. „Absolut“, erwidert Aho Ssan. Der kompositorischen Struktur von The Falling Man folgend müsste jetzt eigentlich der Teil mit der Auseinandersetzung kommen.

Aho Ssan, Susanna Niedermayr, Übersetzung: Friederike Kulcsar
Interpret/innen

Komposition, Elektronik: Aho Ssan

Kooperationen

Die adaptierte Komposition von Aho Ssan ist ein Auftragswerk des ORF musikprotokoll. In Kooperation mit SHAPE+  Sound, Heterogeneous Art and Performance in Europe. Gefördert durch das Programm „Creative Europe“ der Europäischen Union.

Termine
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Location
Dom im Berg
Konzert
Uraufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2022 | Spacial Adventures