Echo (2017) ©  courtesy of Nona Inescu and SpazioA gallery
Wander(E)ars
Wander(E)ars. Pak Yan Lau, Nomadin zwischen den Kulturen.

Susanna Niedermayr: In Deinen Performances versuchst du Dich und Dein Publikum mit dem großen Ganzen zu verbinden. Musik scheint dafür ein besonders gutes Medium zu sein, warum?

Pak Yan Lau: Von allen menschlichen Sinnesorganen ist das Ohr das erste, das im Mutterleib ausgebildet wird. Ich glaube, das ist der Grund, warum Klänge eine so starke und unmittelbare Wirkung auf uns haben. Später stützen wir uns dann in erster Linie auf unseren Sehsinn, unsere Augen nehmen eine immer zentralere Rolle ein. Aber wenn wir unsere Augen schließen, dann hören und spüren wir plötzlich Dinge, die uns davor gar nicht bewusst waren. Wir leben heute in einer derart verschmutzten Umwelt, visuell ebenso wie akustisch! Alles ist schnell, laut und schrill, wir sind einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt. Deswegen haben wir den Bezug zum bewussten Hören verloren. Aber im Grunde hat unsere Beziehung zu Klang etwas sehr Ursprüngliches.

SN: Deine Arbeit hat auch eine spirituelle Ebene…

PYL: Hier ist es gut zu wissen, woher ich komme. Meine Eltern haben einen kleinen Tempel in ihrem Haus. Dort halten sie jeden Tag eine Morgen- und eine Abendzeremonie ab. Die dauert nicht lange, es ist einfach ein Moment des Innehaltens, zu Beginn und am Ende des Tages. Ich mache das normalerweise nicht, aber manchmal, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin, dann sagt meine Mutter: Halte heute Du die Zeremonie ab. Und vor diesem Tempel hatten wir Menshen, so werden in China die göttlichen Wächter von Türen und Toren bezeichnet, die das Haus beschützen. Es war ein roter Altar mit eben diesen beiden Figuren. Als Opfergaben bekamen die Menshen etwa Früchte oder meine Eltern zündeten Räucherstäbchen an. Diese spirituelle Ebene hat also etwas mit meiner Herkunft und meiner Kultur zu tun. Sie war immer präsent, auch wenn ich in Belgien aufgewachsen bin. Wenn ich nun in Hongkong oder Japan auf Tour bin und an einem Tempel vorbeikomme, dann verbeuge ich mich immer, das ist für mich ganz selbstverständlich.

SN: Inspiration schöpfst Du aber auch aus den Klangforschungen westlicher Avantgardist*innen…

PYL: Im Herzen trage ich die chinesische Kultur, aber mein Intellekt wurde sehr von jenen Menschen geprägt, die ich während meiner Zeit auf dem Konservatorium und danach getroffen habe. Durch sie habe ich etwa Musique concrète oder minimalistische elektronische Musik kennengelernt. Das ist jetzt natürlich nur eine Vermutung, aber wäre ich in Hong Kong aufgewachsen, wäre ich vielleicht nie auf die Idee gekommen, mein Klavier zu präparieren und mich mit erweiterten Spieltechniken zu beschäftigen. Aber ich bin in Belgien aufgewachsen, hier konnte ich aus dem ganzen Reichtum der westlichen Musikgeschichte schöpfen. Das ist das Glück daran, hier aufgewachsen zu sein. Im Vordergrund steht für mich die Beschäftigung mit dem Sound, Harmonien und Melodien sind sekundär. Ich suche nach der richtigen Balance zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten. Ich möchte Musik im konventionellen Sinn machen, aber mit unkonventionellen Mitteln.

 

Susanna Niedermayr
Interpret/innen

Pak Yan Lau

Kooperationen

Die Komposition von Pak Yan Lau ist ein Auftragswerk des ORF musikprotokoll. In Kooperation mit SHAPE – Sound, Heterogeneous Art and Performance in Europe. Gefördert durch das Programm „Creative Europe“ der Europäischen Union. Pak Yan Lau ist SHAPE Artist 2021.

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Dom im Berg
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musikprotokoll 2021 | Wander-E-ars