Gönnen wir uns zu Beginn einen Blick auf die ersten Ereignisse in diesem rabiaten Stück für Streichquartett und zwei Klaviere. Es beginnt gleich mit einer energiegeladenen, akkordisch gespielten quasi-unisono-Passage, dann folgt sofort eine Pause wie ein kurzes Erschrecken. Der klanglichen Einheit von Streichinstrumenten und Tasteninstrumenten folgt eine Aufsplitterung in Klavier und Streichereinheiten. Klaviere attackieren Streicher und vice versa, die Streicher agieren zwischen geräuschhaft perkussiv und ätherischen Zwischentönen. Immer wieder tauchen energisch aufsteigende Skalen auf, fast wie zwischen wutentbrannt und verzweifelt, aber immer präsentiert wie mit dem Brustton einer unverbrüchlichen Überzeugung. Nach vier Minuten: Eine erste Phase der Introspektion setzt ein. Aber gleich beginnt es wieder zu pulsieren. Von den Klavieren geht dazu die Energie aus. Schwebende Streicherreflexion legt sich darüber. Und dann geht der nächste Puls vom Violoncello aus. Ein unvorhersehbares Spiel der Energiezustände nimmt einen gefangen, entlässt einen kurz ins Nachdenkliche, entfächert dabei immer schillernde, manchmal wild, manchmal sanft bewegte Klangflächen. Es scheint ein recht überschaubarer und dennoch unabsehbarer Vorrat an thematischen Vorgaben zu sein, den sich Komponist Mikheil Shugliashvili für dieses Sextett zurechtgelegt hat und aus dem sich dann das von ihm entzündete, fast halbstündige Feuerwerk an Musikideen speist.
„Sein Sextett für zwei Klaviere und Streichquartett (1973/76)“, schrieb Alfred Zimmerlin in der Neue Zürcher Zeitung vor Kurzem anlässlich einer der ganz raren Aufführungen dieses Sextetts, „fesselt einen sofort mit dem so eigenen, energiegeladenen Klang, den Shugliashvili den sechs Instrumenten entlockt. Mit den zur Sache gehenden Rhythmen und einer Harmonik, die mitunter beinahe spektrale Wirkungen entfaltet. Und mit einer eigengesetzlichen, nicht voraushörbaren Form voller überraschender Wendungen, die dennoch absolut stichhaltig und stimmig wirkt. Für die Schublade hatte Shugliashvili zu sowjetischen Zeiten komponiert, sein Schaffen ist wenig bekannt.“
Das musikprotokoll hat sich ja heuer vorgenommen, auf mehreren Ebenen und mit mehreren Werken genau dagegen etwas zu unternehmen. Die Uraufführung seines Orchesterwerks Polychronia und die österreichische Erstaufführung dieses Sextetts sind dabei wesentliche Eckpfeiler. Die Musik des Sextetts hat sich inzwischen verändert. Für längere Zeit waren die Klaviere das Energiezentrum, rabiat wiederholte Akkordfolgen ebenso wie punktuell gesetzte, zerklüftete Melodien prägten das Geschehen. Davor hatten die Streicher mikrotonal wirkende Farbschattierungen ins Spiel geworfen. Ätherische Klavierakkordfolgen, die fast schon an Arvo Pärt denken lassen, tauchen nach zwanzig Minuten ebenso auf, wie man sich schon das ganze Stück hindurch in der eigenen Klangerinnerung wie in einer Echokammer der wilden, mal anspielungsreichen, mal konstruktiven Musik von Alfred Schnittke und Iannis Xenakis wiederfinden konnte. Und dann ist da plötzlich ein ganz zartes Ende. Ganz hohe Streicher, zärtliche Klavierakkorde, die Musik verstummt langsam und löst sich auf. Welch versöhnlich wirkendes Ende, welch Zur-Ruhe-Kommen nach so viel Aufregung, Aufbrüchen, Attacken, welch Umdrehung der oft gehörten Dramaturgie: Die Intensität des Finales eines Stücks steckt gleich in der Eröffnung und der darauffolgenden Entwicklung, die Feinheit des reflektierenden Verklingens entlässt uns in ein offenes Ende.