Doublé
Doublé: Undercurrents - Interference

 „Wann wird Klang zu Musik? Und wo verläuft die Grenze zwischen Klangkunst und Musik? Gibt es so eine Grenze überhaupt und wenn ja, wie lässt sie sich definieren?“ Diese Fragen stellten sich die Veranstalter/innen der Berliner Konzertreihe Kontraklang und luden die Klangkunstpionierin Christina Kubisch ein, ein neues Stück zu komponieren. Im November 2018 feierte Undercurrents im Heimathafen Neukölln seine Uraufführung. Geschrieben hat Kubisch dieses Stück für die Schlagzeugerin Katharina Ernst, die, genauso wie auch sie selber, in der Bildenden Kunst verwurzelt ist. 

Christina Kubisch und Katharina Ernst haben sich 2016 bei einem Festival in Vancouver kennengelernt. Hier trafen zwei Universalkünstlerinnen aufeinander. Katharina Ernst war schon immer sowohl im Bereich der Musik als auch in jenem der Bildenden Kunst aktiv. Mit neun Jahren begann sie Schlagzeug zu spielen, gleichzeitig malte und zeichnete sie. Nach einem Studium der Malerei bot die Zusammenarbeit mit der Theatergruppe Luc Amoros erstmals die Möglichkeit, beide Kunstformen miteinander zu verbinden. 

Auch Christina Kubisch fühlte sich von der Musik und der Bildenden Kunst seit jeher gleichermaßen angezogen und suchte früh nach Wegen, ihre verschiedenen Interessen miteinander zu verbinden. Einen Schwerpunkt bildet dabei seit den 1970er-Jahren die Beschäftigung mit der elektromagnetischen Induktion. Als Kubisch in den 1990er-Jahren eine größere Installation mit im Raum verspannten elektrischen Kabeln realisierte, hörte sie plötzlich diverse Signale einstrahlen. Es war jene Zeit, in der sich immer mehr elektromagnetische Felder bildeten, seit damals nimmt ihre Anzahl beständig zu. Kubisch ließ sich spezielle Kopfhörer bauen, mit denen sie diese elektromagnetischen Felder hörbar machen und gleichzeitig aufnehmen konnte. 

In dem Stück Undercurrents ließen Kubischs elektromagnetische Klänge und Ernsts Schlagzeugklänge ineinander. In mehreren gemeinsamen Arbeitstreffen hat Ernst gemeinsam mit Kubisch einen Pool an Schlagzeugklängen zusammengestellt, die sich an die in diesem Fall vorwiegend flächigen elektromagnetischen Klänge anlehnen, sie scheinbar imitieren, um sich aus ihnen schließlich unmerklich herauszuschälen und dann wieder in sie eintauchen zu können. Die Partitur hat Kubisch für Undercurrents geschrieben. 

Ihr zweites Stück, Interference, das im Auftrag des musikprotokoll entstanden ist, haben die beiden Künstlerinnen nun gemeinsam komponiert. Diesmal hat Kubisch eine Auswahl an perkussiven elektromagnetischen Klängen zusammengestellt, zu denen Katharina Ernst in weiterer Folge mit ihrem Schlagzeug polyrhythmische Strukturen entwickelt hat. Zusätzlich gelangt eine Testversion des Computerprogramms BeatSeeker zum Einsatz, ein Gerät für Max for Live, das es ermöglicht, das Tempo der Zuspielung an jenes des Schlagzeugs anzupassen.

Der BeatSeeker hat in dem Stück Interference auch symbolische Bedeutung, denn hier erobert sich der Mensch, die Schlagzeugerin, die Kontrolle über die Maschine, über den vom Computer zugespielten Elektronikpart wieder zurück. Als musikalisches Ausgangsmaterial dienten Christina Kubisch Klänge, die sie mit den von ihr entwickelten Kopfhörern beim Überschreiten diverser Sicherheitsschranken etwa in Kaufhäusern oder am Flughafen eingefangen hat. Hier sind es die Maschinen, die den Menschen Grenzen setzen, in Interference wird der Spieß umgedreht. „Und diese Sicherheitsschranken machen eigentlich Club Musik“, ergänzt Katharina Ernst, „sie sind rhythmisch sehr prägnant und wirklich groovy“. 

Susanna Niedermayr
Interpret/innen

Schlagzeug, Synthesizer, Tam-Tam, Gongs: Katharina Ernst, Elektromagnetische Sounds: Christina Kubisch

Kooperationen

In Kooperation mit SHAPE – Sound, Heterogeneous Art and Performance in Europe. Gefördert durch das Programm „Creative Europe" der Europäischen Union. Katharina Ernst ist Shape Artist 2019.

Termine
Location
Dom im Berg
Konzert
Uraufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2019 | Doublé