Das künstlerische Schaffen von Jacqueline George ist breit gefächert und reicht von der Malerei bis hin zur Textproduktion, vom Programmieren und Gestalten von Video-Games bis hin zur Performance- und Konzept-Kunst. Am College of Art Education in Kairo besuchte sie mehrere Medienkunst-Workshops. Sie begann Gedankenlandkarten anzufertigen und, inspiriert von Ahmed Bassiouny, sich mit Sound zu beschäftigen und erste Stücke zu schmieden. „Er war ein großartiger Künstler und auch Lehrer“, erzählte uns George während eines Interviews für die Ö1-Sendereihe Zeit-Ton im vergangenen April1. Wie kein anderer hätte er es verstanden, seine Student/innen zu begeistern. Vor allem auch viele Künstlerinnen hätten an seinen Workshops teilgenommen. In den ersten Tagen der Proteste gegen die damals herrschende Regierung rund um Präsident Hosni Mubarak auf dem Tahrir-Platz im Jänner 2011 wurde Bassiouny von Polizisten erschossen.
Im Mittelpunkt seines letzten Workshops, den er dann nicht abschließen konnte, standen die vielfältigen Sounds der Fagalaat-Straße in Down Town Kairo und die Frage, wie sich ein Ort über seine Klänge künstlerisch erschließen lässt. Jacqueline George begann Field Recordings zu sammeln und eine Sound-Bibliothek anzulegen. Sie wollte das Konzept der Gedankenlandkarten und die gesammelten Klänge zusammenführen; ihre Gedanken über das Leben in ihrer Heimatstadt mit Klängen kartographieren. Das im Anschluss entstandene Stück Fagalaat findet sich auf der Compilation Egyptian Females Experimental Music Session, die 2013 bei dem Label 100COPIES von Mahmoud Refat erschienen ist. Refat war es auch, der Ahmed Bassiounys Workshop, der für das künstlerische Schaffen für Jacqueline George so prägend war, zu Ende führte. Seit damals ist die Sound-Bibliothek der Künstlerin beständig gewachsen.
„Wenn jeder Klang eine Idee transportiert, dann sind wir reich an Ideen“, schildert George. „Wenn ich komponiere, dann tauche ich in dieses Meer der Ideen ein, suche nach meinem eigenen Weg. Manchmal wird es in meinen Stücken sehr dicht, lasse ich mich von dem Lärm auf Kairos Straßen inspirieren, ohne jedoch Verkehrsgeräusche zu verwenden. Manchmal verweile ich eine Zeit lang bei einem bestimmten Sound, wiederhole ihn immer und immer wieder, lasse mich von ihm in eine Art meditativen Zustand führen.“ Warum sich in Ägypten gerade in der Klang-Kunst so viele Frauen finden würden, wollten wir von der Künstlerin abschließend noch wissen. „Vielleicht“, so Jacqueline George, „weil man in der Klang-Kunst seine Stimme erheben kann, ohne dabei seine Gedanken in Worte fassen zu müssen, ohne konkrete Aussagen treffen zu müssen.“
1 Die Zeit-Ton Redaktion beteiligte sich am Ägypten-Schwerpunkt im Rahmen der Ö1 Serie Nebenan. Erkundungen in Europas Nachbarschaft.