As We May Feel
As We May Feel, für Kammerensemble (2017)
Meine Komposition Memex (für Sinfonieorchester, 2014) wurde von einem Artikel inspiriert, den der US-amerikanische Ingenieur Vannevar Bush im Jahr 1945 publizierte. Unter dem Titel „As We May Think“ („Wie wir denken könnten“) beschrieb Bush eine technische Vision, den sogenannten Memex (Memory Extender, dt. Gedächtniserweiterer), ein Arbeitsgerät, „in dem eine Person all ihre Bücher, Aufzeichnungen und Kommunikation speichert“ und das somit eine „vergrößerte persönliche Ergänzung ihres Gedächtnisses“ darstellt. Bush glaubte, dass der menschliche Geist „mit Assoziationen arbeitet. Kaum hat er sich eine Information beschafft, greift er schon auf die nächste zu, die durch Gedankenassoziation nahegelegt wird“. Der Memex war eine Inspirationsquelle für das in den späten Sechzigerjahren entworfene Hypertext-Konzept, das wiederum zur Erfindung des World Wide Web führte.   Bushs Memex-Modell der Denkprozesse wie auch andere, später entstandene Vorstellungen vom Denken, Wahrnehmen und Fühlen sind nicht komplex genug, um die im Grunde improvisatorische Natur dieser drei Vorgänge zu berücksichtigen. Dass ich Bushs Aufsatztitel übernehme und abwandle, bedeutet somit nicht, dass ich von einer starren Dichotomie von „Denken“ und „Fühlen“ das Worte rede, ich möchte vielmehr die Aufmerksamkeit darauf lenken, was diese Vorgänge miteinander gemeinsam haben: sie sind mitbestimmt durch Improvisationsprozesse.   Der von mir in As We May Feel und anderen aktuellen Werken verfolgte kompositorische Ansatz basiert auf einem assoziativen Diskurs mit „behavior sets“, mit Gruppen von Elementen, die komplexe Strukturen bilden, sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, sich mit anderen Gruppen neu kombinieren und in neuer Form und Gestalt wieder auftauchen. Obwohl das Stück keine Improvisation von den Mitwirkenden beinhaltet, dienen meine rekombinanten Strukturen als assoziative Assemblage, die sich erst in der Begegnung mit dem Hörer voll entfaltet, wobei die Aktivität des Hörens und die des Komponierens ineinanderfließen – als eine Form von Navigation, die erforscht, wie wir fühlen könnten. Es ist dies eine spielerische Beschäftigung mit Unbestimmtheit und Handlungsmacht, mit der Analyse des Gegebenen und der Unbeständigkeit der Erinnerung, mit dem unbeschreiblichen Moment, in dem eine Entscheidung fällt.
George Lewis, Übersetzung: Friederike Kulcsar
Interpret/innen

Komposition: George Lewis (US)

Studio Dan (AT)
Violine: Sophia Goidinger-Koch
Cello: Maiken Beer
Kontrabass, E-Bass: Manuel Mayr
Flöte: Thomas Frey
Klarinetten, Saxophon: Clemens Salesny
Trompete: Dominik Fuss
Posaune, Musikalische Leitung: Daniel Riegler
Klavier, Keys: Michael Tiefenbacher
Schlagzeug: Mathias Koch
Posaune, Gast: Matthias Muche

Kooperationen

Geschrieben für Studio Dan

Termine
Location
Helmut List Halle
Konzert
Uraufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2017 | Studio Dan