Susanna Niedermayr: Das Entwickeln einer aus sich selbst heraus generierenden musikalischen Sprache, darum geht es auch in Deiner Werkreihe Ornamentrauschen. Und sie richtet sich gegen die Homogenisierung von Stimmungssystemen …
Stefan Fraunberger: Die Industrialisierung und Nationalisierung hat gleichzeitig zu einer Homogenisierung der Stimmungssysteme geführt, zuerst in Europa. Dort war es zu Zeiten Bachs noch nicht klar, wo die genauen architektonischen Begrenzungen innerhalb eines Stimmungssystems liegen. 100 Jahre später war es sehr klar. Hier hat sich eine architektonische Konvention in der Stimmung entwickelt, die man definitiv als homogenisiert betrachten kann. Das Gleiche ist zum Beispiel bei einem nationalistischen Kongress der arabischen Hochkultur-Schaffenden in Kairo in den 1920er Jahren passiert, wo man sich auf eine homogenisierte arabische Skala in logarithmischen Vierteltönen geeinigt hat. Also das Gleiche, was wir in Europa mit den Halbtönen gemacht haben, haben sie mit den Vierteltönen gemacht und das stimmt eben nur begrenzt, weil man in den Makam-Stimmungssystemen eher von der alten griechischen Theorie Pythagoras´ ausgegangen ist, die mit Achteltönen und mit ganzzahligen Brüchen arbeitet. Das hat zu verschiedensten Abstraktionen und Architekturen geführt, die dann wiederum alle in einer Viertelton-Skala homogenisiert worden sind. Ob sich diese Erkenntnis deduktiv auf andere gesellschaftliche Bereiche oder auf die Wissenschaft ausweiten lässt, das lasse ich jetzt offen, aber ich vermute es.