Re_De!
Kann etwas „grooven“, auch wenn es keinen erkennbaren „beat“ hat?
Wenn es von Renald Deppe stammt, kann es.
Mag er auch ob der etwas flapsigen Formulierungen die freundliche Stirne runzeln, ich lege noch nach:
Seine Musik klingt immer cool.
Woran liegt das? Wieso empfinde ich das so? Vielleicht liegt es an Deppes großer Liebe zur improvisierten Musik, und dort in der großen JazzTradition seiner Instrumente, vor allem des Saxophons.
Renald Deppes Spiel hat für mich immer etwas Jazziges, auch wenn das jeweilige Werk aufs Erste nichts mit Jazz zu tun zu haben scheint. Sein Ansatz – wörtlich und im übertragenem Sinne – ist eindeutig nicht-klassisch, zumindest nicht im Sinne des Klassik-Mainstream.
Aber ohnehin scheint er nichts mehr zu vermeiden als ausgetretene Pfade. Wo immer seiner Meinung nach bereits genug getan bzw. musiziert wurde, fühlt er keine Notwendigkeit, auch noch seine eigenen Spuren zu hinterlassen. Die Eigenschaft der Flüchtigkeit seines Metiers, dass also – allen Partituren dieser Welt zum Trotz – ein Ton nur solange existiert, als er gespielt wird, dürfte auch in Deppes Lebensweg eine Hauptrolle spielen. Beständigkeit ist nur dann wichtig, wenn sie die Veränderung in sich trägt. Von Dauer kann nur etwas sein, wenn es von wechselnden Kräften getragen wird.
So gesehen ist Renald Deppe kein Fackelträger, sondern ein Staffel-Läufer der Neuen Musik, und zwar meistens der Erste. Er ist ein Initiator, ein Ermöglicher, und wenn er einmal etwas auf den Weg gebracht hat, dann lässt er es frei.
Mag das auch auf Kosten einer möglichen Karriere gehen!
Renald Deppe, geboren 1955 in Bochum, studierte zuerst in Folkwang und dann in Wien. Hier ließ er sich nieder, auch wenn man in seinem Falle vielleicht eher sagen sollte: Hier schlug er sein Nomadenzelt auf, hier, in Österreichs Hauptstadt, in der das Kulturleben noch immer vom 19. Jahr hundert geprägt ist. Dieses, schreibt Deppe, geistere „heute noch immer durch alle Talentevernichtungsanstalten und Musikvereinsmeiereien“. Gerade von hier aus würde der Vielseitige seine Impulse setzen: Kulturspektakel, Graben-Festtage, Porgy&Bess, und und und. Hier – wie auch in Linz – unterrichtet er seit Jahren an den jeweiligen Musik-Universitäten.
Die Kunst soll ein atmendes, sich veränderndes Wesen sein, kein Spiegel der Gesellschaft, sondern ein Bestandteil von ihr, ein Familienmitglied, dass alle jederzeit herausfordert.
Renald Deppe ist mit Sicherheit ein ungeheuer talentierter Mensch. Er macht Musik, er schreibt Musik, er zeichnet Musik (in wunderschönen Kalligraphien), er besitzt eine beneidenswerte Formulierungskunst und hinreißenden Sprachwitz.
Dass er all das ganz offensichtlich nie zum eigenen (schon gar nicht finanziellen) Vorteil verwendet hat und wohl auch nie tun wird, macht mich ein wenig traurig.
Doch dann greift er zum Saxofon und spielt ein paar Töne von freudiger Musizierlust, lässt der hochintellektuelle, gebildete, belesene Renald Deppe im Spiel das frohe Chaos spürbar werden, ohne das es in der Kunst nun einmal nicht geht.
Konzentriert man Renald Deppes Namen auf vier Buchstaben, entsteht die Re_De.
Rede weiter, Renald!