Bei Betrachtung der Geschichten und Motivation von Menschen wie Ludwig Salvator zeigt sich, dass der Hunger nach Erkenntnis, der sie hinaustreibt auf den Ozean, der sie hinaustreibt in die Welt, nicht nur der äußeren, ihnen entgegenstehenden Welt gilt, sondern insbesondere auch ihnen selbst. Ihre Suche gründet letztlich im Mysterium der eigenen Existenz. Das Unbekannte ist eben außen und innen gleichermaßen zu finden. Wenn man sich dem Unbekannten, dem Rätselhaften in der Welt aussetzt, provoziert man dabei auch Unbekanntes und Rätselhaftes in einem selbst. Es besteht eben ein Zusammenhang zwischen dem einzelnen Wesen und der Welt. Die Welt ist der Metaleib des Menschen, ist etwas, das nur vom eigenen Leib ausgehend mimetisch und kommunikativ ergründet werden kann.
Ganz in diesem Sinne des Hinausfahrens in die Welt, um dabei zugleich auch sich selbst als Wesen zu erfahren, um dabei auch sich selbst in der Reibung an der Welt zu entdecken, wurde das Klangmaterial der Soundinstallation Abyss durch Reibung erzeugt. Hierbei habe ich aber nicht der Vielfalt der Gegenstände dieser Welt entsprechend einige ausgewählt, sondern einen einzigen, der paradigmatisch ein Sinnbild für die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt bietet. Vorerst mag man verwundert sein, wenn ich einen Luftballon als paradigmatische Figur hochstilisiere. Infolge seiner scheinbaren inneren Leere erscheint dies, trotz der oben angedeuteten Ahnung eines ontologisch inneren und äußeren Abgrundes, vorerst als absurd und bedenklich. Auch die Dehnbarkeit und Verletzlichkeit des Ballons lassen uns auf den ersten Blick abwinken. Der Gewohnheit nach gehen wir in unserer Auseinandersetzung mit der Welt doch nicht von dehnbaren und flexiblen Verhältnissen aus, sondern von eindeutig feststellbaren. Wir wünschen uns stabile Bedingungen, sind bemüht, den eigenen Standpunkt und die eigene Weltsicht als einzig richtige vor- und darzustellen. Auch Salvators Katalog steht in dieser Tradition, nun endlich wirkliche Geografie zu betreiben, um althergebrachte Illusionen von der Beschaffenheit der Welt zu beseitigen.
Aber woher nehmen wir diese Gewissheit, wenn nicht von unserem eigenen Standpunkt? Vom Meta-Standpunkt aus betrachtet, entpuppt sich die Idee der einen Wahrheit als Illusion. Welt- und Selbstbilder sind so wie der Mensch oder jedes andere Seiende, sind so wie Luftballons, verletzliche, dehnbare, vergängliche und letztlich auch grundlose Gebilde. Sie alle entsprechen einer hauchdünnen Schicht zwischen einem inneren und einem äußeren Abgrund, einer Schicht, die aber dennoch einen Resonanzkörper zu bilden vermag, einen Resonanzkörper, mit dem es sich spielen, ja mit dem es sich auch musizieren lässt. Der Mensch ist ein gestalterisches, ein poetisch kreatives Wesen, das sich im raum-zeitlichen Rand seiner vergänglichen Existenz gegen innen und außen hin reibt, das seine Luftschlösser für die Welt an sich und für sich selbst hält, und in dieser seiner Reibung Weltbilder,
Selbstbilder, Musik, Tanz, Bilder, Installationen, Texte, Geschichten, Gegenstände und vieles mehr produziert. Dabei vermögen wir Welten, Kulturen, Religionen, Wissenschaften, Künste, aber auch uns selbst immer wieder neu zu erfinden, immer wieder neu zu entdecken, und dies zum Glück ohne deren Potential gänzlich erfassen und feststellen zu können.
Denn „könnten Ding und Welt ein für allemal“ eindeutig und allgemeingültig „definiert werden, so existierte gar nichts mehr“. (Merleau-Ponty)