Computerprogramme und Computer werden für ein Publikum choreografiert. Tonabnehmer greifen die abstrahlenden elektromagnetischen Felder der Elektronik ab und machen die ablaufenden Prozesse hörbar. In der rohen Computermusik zeigt sich eine spezifische, poetische Zeit- und Räumlichkeit von Software in ihrem Betriebssystem. Der zugrundeliegende Aufbau der Hardware und Software bestimmt den Klang: ob rhythmisch oder unregelmässig, ob spherisch oder harsch. In dem Sinn tragen der Hersteller, das Betriebssystem, die Software und der Anwender zur Komposition bei. Für das musikprotokoll 2014, findet - vor sich wiederholendem Reboot - ein Wechselspiel zwischen Systemadministations Tool und ihren OperatorInnen statt. - Wobei die Grenzen noch zu bestimmen wären. Die Performance wird im Rahmen der Ausstellungen 'Ministry of hacking' des esc medien kunst labors entwickelt.
Unbeeindruckt von der Außenwelt brummen auf der ganzen Welt die Server in ihren Farmen vor sich hin, wenn sie unsere Daten verwalten und speichern. Ein Server lässt sich aber auch in einen Klangraum verwandeln, man kann diese elektronische Einheit hörbar machen. Von den physischen Komponenten der Maschine ausgehend, lassen sich die elektromagnetischen Felder in akustische Wellen umwandeln und die Maschinengeräusche in eigentümliche Klangarrangements übersetzen – denn die ausführende Software erschafft während ihrer Laufzeit, der Runtime, ganz eigene temporäre und räumliche Dimensionen.
Valentina Vuksic
Sounding Servers im MINISTRY OF HACKING
Diese Vorstellungen klanglicher Dimensionen lassen sich auch als Verbindungen und „unsichtbare Verkabelungen“ (Lucy Sombra, http://www.blog.lucysombra.org/2014/08/thf2014/) in den Feldern des Akustischen und
Elektromagnetischen beschreiben – eben „Sounding Servers“.
Diese Vorstellungen sind die Anknüpfungspunkte in das „Ministry of Hacking“. Dabei dienen Konzepte verschiedener Theoretikerinnen wie Cornelia Sollfrank oder subROSA als mögliche Referenzpunkte.
In ihrem Manifest des OBN (Old Boys’ Network) beschrieb Cornelia Sollfrank lokale Aktivitäten als „Knoten“, die „kollidieren, zerfallen, sich regenerieren, sich einmischen, sich auflösen, neu formen, zusammenbrechen, erneuern, verschwinden, sich revidieren, sich wiederbeleben und sich ausbreiten”. (OBN FAQ 7).
Das heißt, dass Aktivitäten nicht in einem Netzwerk geschehen, sondern im Gegenteil das Netzwerk aktueller feministischer Diskurse sind – und zwar sowohl im virtuellen als auch im realen Raum. Die stärkste Wirkungsmacht entfalten sie dann, wenn sie in die Praxis übertragen werden. Sie existieren nur in der Connectivity – also in und durch die Verbindung und Verbundenheit im dynamischen Raum von Entwicklungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie sich virtuell oder physisch manifestieren; sie können nicht isoliert von dieser Verbindung betrachtet werden.
subROSA folgt diesem Denkansatz und funktionalisiert ihre künstlerischen Aktivitäten zu Kritik an „den Beziehungen zwischen digitalen Technologien, Biotechnologien und den Körpern / dem Leben / der Arbeit von Frauen“ um. Das Ziel von Hacktivist/innen ist es – wie beim Electronic Disturbance Theatre – einen gemeinsamen Raum zu schaffen, in dem es möglich wird, verschiedene Medien zu mischen, Grenzen zu überschreiten und künstlerische Formen miteinander zu verknüpfen. Außerdem machen sie durch ihre Art der Verbreitung Information für alle reproduzierbar, denn „im digitalen Zeitalter können widerständige Cultural Producers die Rekombination (ihrer Information, Anm.) für subversive Zwecke akzeptieren.“ Und als Ausdruck positiver und emanzipierender Aspekte des vernetzten Denkens und Handelns verstanden werden.
In Sounding Servers wird dieser Raum auch akustisch erlebbar.
Reni Hofmüller
Sounding Servers ist Teil der Ausstellung:
MINISTRY OF HACKING
Feministische Hackerinnen und Hacker.
Das esc als Server mit neuem Betriebssystem. Ein Update.
27.09 – 28.11.2014
esc medien kunst labor
Mit bolwerk (BE), Tatiana de la O (AR), Anne Goldenberg (CA), Pascale Gustin (FR), Seda Gürses (TR/US), Simona Levi (IT/ES), Nancy Mauro-Flude (TZ), Karine Rathle (GB), Femke Snelting (BE), spideralex (ES), Rena Tangens (DE), Sophie Toupin (CAN), Valentina Vuksic (CH), Peter Westenberg (BE), Faith Wilding (US), Hyla Willis (US), Stefanie Wuschitz (AT) u. a.