Zwei Jahre lang war der irische Filmemacher und Fotograf Richard Mosse mit dem Kameramann Trevor Tweeten im östlichen Kongo unterwegs. Dort hat er sich an die Fersen von Rebellengruppen geheftet und Orte besucht, die von Gewalt und Terror heimgesucht werden. Über fünf Millionen Menschen sind bis heute in einem Bürgerkrieg ums Leben gekommen, der seit Ende der 90er Jahre tobt.
The Enclave ist eine filmische Installation, die authentische Soundscapes und die beängstigenden, auf einem 16-mm-Infrarotfilm festgehaltenen, farblich entrückten Bilder zu einer unheimlichen Elegie auf einen Albtraum namens Krieg verdichtet. Wenn in The Enclave die Panzer rollen und die Toten begraben werden, dann allerdings nicht als dokumentarisches Material eines Kriegsreporters, sondern als künstlerisch-persönliche Annäherung an das Grauen.
2012 erhielten Richard Mosse und Ben Frost, der den Sound zum Video schuf, von ECAS (European Cities of Advanced Sound) einen Kompositionsauftrag. Wenig später wurde The Enclave als Irlands Beitrag zur 55. Biennale von Venedig ausgewählt. Im Rahmen einer Koproduktion von musikprotokoll und Kunsthaus Graz und in Kooperation mit dem steirischen herbst wird das Werk nun erstmals in Österreich im Rahmen des musikprotokolls zu erleben sein.
Richard Mosse verwendete für
The Enclave eine militärische Filmtechnologie, deren Produktion vor kurzem eingestellt und ursprünglich während des Zweiten Weltkrieges entwickelt wurde, um getarnte Stellungen im Gelände sichtbar zu machen. Dieser Film registriert das unsichtbare Infrarot-Licht-Spektrum und übersetzt die grüne Landschaft in grelle Töne von Lavendel, Purpur und Pink. An der Schwelle zur Produktionseinstellung des Mediums setzte Mosse das Material zur Dokumentation eines andauernden Konflikts im Osten der Demokratischen Republik Kongo ein. Diese humanitäre Katastrophe – 5,4 Millionen Menschen starben seit 1998 – wird von den Massenmedien weitgehend übersehen. Die Vielzahl an Massakern und Menschenrechtsverletzungen sowie die allgegenwärtige sexuelle Gewalt bleiben so eine nicht erzählte Realität, die The Enclave sicht- und hörbar macht.
The Enclave umfasst sechs monumentale doppelseitige Leinwände, die beim musikprotokoll im vollständig abgedunkelten Space04 des Kunsthauses Graz installiert sind und ein physisch immersives Erlebnis erzeugen. Diese verwirrende und kaleidoskopartige Installation will dem facettenreichen Konflikt im Ostkongo formal entsprechen, verläuft dabei aber entgegen den Erwartungen und zwingt die Betrachter/innen, räumlich von einer Reihe unterschiedlicher Blickwinkel aus zu interagieren.
Ihre einprägsame, viszerale Soundscape wird durch 12-Punkt-Surround-Sound geschichtet und wurde von Ben Frost aus Aufnahmen zusammengestellt, die in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu gesammelt wurden.
Die Produktion nahm mehr als ein Jahr in Anspruch. Es ist ein in Schleifen verlaufendes, nicht-lineares Narrativ, das dokumentiert, wie Zivilisten vor Massakern fliehen und wie sich die Mai-Mai-Miliz für den Kampf vorbereitet. Gezeigt wird auch, wie M23-Rebellen vorrücken, um die Stadt Goma kämpfen und sie schließlich erobern. Diese humanitäre Katastrophe entwickelt sich in einer Landschaft von außerordentlicher Schönheit, an den Ufern des Kivusees. In einer Art Verteidigung des Sehens versucht Mosse, diese vergessene Tragödie in ein neues Lichtspektrum zu rücken.
Richard Mosse wurde 1980 in Irland geboren. Seine künstlerische Praxis bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Dokumentarfotografie und zeitgenössischer Kunst. Seine neueren Arbeiten sind beeinflusst von Romantik, Surrealismus, psychedelischen Wirkungen, Punk und modernen militärischen Aufklärungstechnologien. Dabei zieht es ihn immer wieder in Konfliktregionen. Richard Mosse in einem Interview mit John Kelly für den RTE, den öffentlich- rechtlichen Rundfunk Irlands: „Ich glaube, dass Schönheit das schärfste Werkzeug im Werkzeugkasten ist. Wenn man den Betrachter dazu verleiten kann, ästhetischen Genuss beim Betrachten einer Landschaft zu empfinden, in der am laufenden Band Menschenrechtsverletzungen stattfinden, dann versetzt man ihn damit in eine sehr problematische Lage. Er fühlt sich moralisch bloßgestellt und ist wütend auf sich selber. Und er ist wütend auf den Fotografen, der diese Gefühle in ihm ausgelöst hat. Dieser Moment der Selbstwahrnehmung ist sehr wirkmächtig, denn nun muss der Betrachter sich seine eigene Meinung bilden, eine eigene ethische Haltung einnehmen. Er ist gezwungen darüber nachzudenken, wie Bilder über Konflikte entstehen.“