Music is sounds heared – gerne hat Tenney auf diese auf John Cage zurückgehende Definition von Musik verwiesen, nicht so sehr wegen der völligen Ausweitung des Musikbegriffes auf alles Hörbare, sondern weil in diesem Verständnis von Musik nicht der Komponist und der Akt des Schaffens, sondern der Hörer und das Hören in den Mittelpunkt gestellt werden, in der Tat es sich um einen Musikbegriff handelt, der vollkommen ohne Komponisten auskommt. Dem Hören und der Auseinandersetzung mit dem auditiven Wahrnehmungsprozess galt Tenneys besonderes Interesse, als Komponist genauso wie in seinen zahlreichen theoretischen Beiträgen.
Deutlich spiegelt sich dieses Interesse auch in den Stücken des heutigen Konzertes. In Critical Band nimmt Tenney den aus der psychoakustischen Wahrnehmungsforschung stammenden Begriff der Kritischen Bandbreite zum Ausgangspunkt, um mit diesem Wahrnehmungsphänomen in seiner Komposition zu experimentieren. In a Large, Open, Space – weniger Komposition im herkömmlichen Sinn als Installation und Improvisationsanweisung, worin das Orchester zu einer begehbaren Klangskulptur mutiert – überlässt es Tenney dem Hörer durch die ihm eingeräumte Möglichkeit des Positionswechsels mit der Veränderung der eigenen Hörperspektive zu experimentieren und sich bewusst mit der seiner Hörerfahrung auseinanderzusetzen. In der Spielanweisung heisst es dazu: „In einem großen, offenen Raum, in dem sich die Zuhörer frei bewegen können, für 12 oder mehr beliebige Instrumente." Dabei sollen die „Musiker ... so weit wie nur möglich voneinander entfernt im Raum aufgestellt werden, wobei Instrumente mit einer tieferen Lage im Zentrum und jene mit einer höheren gegen den Rand hin positioniert werden sollen. Jeder Instrumentalist spielt eine der innerhalb des Ambitus seines Instrumentes ,verfügbaren Tonhöhe', sehr leise (pp), mit weichem Einsatz, für ungefähr 30 bis 60 Sekunden. Nach einem Atemholen oder einer kurzen Pause, wird eine neue Tonhöhe ausgewählt (wobei die Wiederholung einer bereits von einem anderen Instrument gespielten Tonhöhe vermieden werden soll). Dieser Vorgang wird für die gesamte Dauer der Aufführung oder Installation immer wieder wiederholt."
Nicht zu Unrecht hat ihn die New York Times deshalb als einen scientist-composer bezeichnet, als anlässlich zu Tenneys 70. Geburtstag sein Œuvre in einem Querschnitt in jener Stadt präsentiert wurde, die zu Beginn der 1960iger Jahre für Tenney zur prägendsten Station seine Lebens geworden war. Als er nach New York gekommen war um bei Eduard Steuerman Klavier zu studieren, und in der Avantgardeszene auf Komponisten wie Cage, Varèse und Harry Partch traf und selbst den Weg zum Komponisten fand. Dem Klavier ist Tenney dennoch treu geblieben, als Interpret, etwa von Cages Klavierwerk, und wiederholt auch als Komponist. Zuletzt mit For Piano and more..., das Tenney für die u.a. auch in Österreich ausgebildete Pianistin Jenny Lin schrieb, auf deren Initiative hin die beiden New Yorker Konzerte zustande gekommen waren, in deren Rahmen dieses Stück seine Uraufführung fand.