Bebungen
Bebungen

„Was ist stärker, C-Dur oder Pizzikato?“
In Lachenmanns Zitat wird ein Konfl ikt erkennbar: Zwischen einem semantischen Aspekt von Klang, der sich auf eine durch tradierte musikalische Begriffe funktionierende Sprache stützt (Akkord in C-Dur) und einem akustischen Aspekt (Pizzikato), einer unabhängig von musikgeschichtlicher Sprache wahrgenommenen, quasi empirischen Erscheinung (Akustiker würden sagen: Hüllkurve). In Bebungen für Streichtrio nehme ich die Auseinandersetzung dieser beiden Aspekte wörtlich, ich setze sie auseinander. Die melo dischen und harmonischen Figuren sind nicht mit ihrer klanglichen Erscheinung in „Einklang“, sondern widersprechen einander. Mit „Bebung“ wird im Barock das Vibrato auf dem Clavichord be zeichnet, ein Tasteninstrument, bei dem der Klang auch nach dem Anschlag durch die Finger noch beeinfl usst werden kann. Auf das Streichinstrument übertragen konkretisiert die Figur der Bebung, das Pulsieren des Bogens auf der Saite, diesen Konflikt am instrumentalen Spielvorgang: die linke Hand des Streichers greift die Töne auf der Saite, während die rechte Hand die Intensität und die Rhyth mik der Bogenbewegung kontrolliert und so weitgehend die Klangerscheinung bestimmt. Die Reibung beider Bereiche bleibt jedoch nicht destruktiv, sondern eröffnet eine andere musikalische Sprache. Als rhetorische Figur verweist die Bebung auf ein „Ich“ im musika lischen Vortrag, auf das rezitierende, sprechende Instrument, und zugleich thematisiert sie den akustischen, empirischen Aspekt von Klang, da sie weder durch Melodik noch Harmonik bestimmt ist. Sie bildet die Möglichkeit einer Brücke zwischen jener musiksprachlichen Weit, die sich auf eine tradierte und stereotypisierte Konventi on von Bedeutung stützt, und jener musikalischen Sprache, die ihre Bedeutungen aus den Klang- erscheinungen und ihren Erzählungen selbst entwirft.

Hans Thomalla
Interpret/innen

Hans Thomalla, Komponist
Ensemble Recherche
Barbara Maurer, Viola
Åka Åkerberg, Violoncello
Melise Mellinger, Violine

Termine
Location
Kulturzentrum bei den Minoriten – Minoritensaal
Konzert
Österreichische Erstaufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt: