missa beati pauperes spiritu
missa beati pauperes spiritu

„Und wäre es so, dass eine Fliege Vernunft hätte und auf dem Wege der Vernunft den ewigen Abgrund göttlichen Seins, aus dem sie gekommen ist, zu suchen vermöchte, so würden wir sagen, dass Gott mit alledem, was er als „Gott" ist, nicht einmal dieser Fliege Erfüllung und Genügen zu schaffen vermöchte. Darum bitten wir, dass wir „Gottes" ledig werden und dass wir die Wahrheit dort erfassen und ewiglich genießen, wo die obersten Engel und die Fliege und die Seele gleich sind, dort, wo ich stand und wollte, was ich war, und war, was ich wollte." (Meister Eckehart, Predigt 32)

Vom Beginn der Schulzeit an sind wir jahrelang damit beschäftigt nach und nach unseren Geist anzufüllen mit Versatzstücken des in unserer Gesellschaft gerade dogmatischen wissen­schaftlichen Weltbildes. Etwas zu begreifen bedeutet, wie das haptische Bild das das Wort „begreifen" impliziert schon zeigt, immer nur an der Oberfläche zu bleiben und nicht wirkliches Verständnis: Begreifen ist das Zurechtbiegen und Einpassen in das vorgefertigte Denkschema des derzeit gängigen Weltbildes. Verstehen ist kein existentieller Vorgang mehr, sondern es ist zu einem Einordnen in ein präformiertes Regalsystem geworden.

Das wissenschftlich-rationale Verstehen ist ein sehr praktisches Werkzeug und kann zu nützlichen praktischen Errungenschaften führen wie z.B. zu Lautsprechern, Kompositionstechniken, Schokoladenfabriken, etc. Es hat aber nichts mit der Realität zu tun. Wie ein aseptischer Handschuh verhindert es den Kontakt mit ihr. Man könnte auch sagen: Es zieht sich wie eine Schicht über die Realität, sodass der mit „Wissen" vollgestellte Geist nur mehr ein sehr getrübtes Bild der Realität empfangen kann. Dabei macht es keinen Unterschied, ob wir es mit religiös­kirchlicher (was auch immer für eine Konfession) oder wissenschaftlicher (was auch immer für eine Konfession) Rationalität zu tun haben: Das rationale Denken kann nicht über sich selbst hinausführen, ganz gleich, ob es kirchliches oder wissenschaftliches Denken ist. Zwischen der biblischen Hypothese, dass ein alter weißbärtiger Mann die Welt in ein paar Tagen erschaffen hat und der Urknalltheorie besteht kein prinzipieller Unterschied: Beides sind rationale Erklärungmodelle, sie unterscheiden sich nur durch ihre Komplexität, das heißt durch die Länge der Schlußfolgerungsketten. Die Grenze der rationalen Denkketten wird in einem Fall zu einem weißbärtigen Mann, im anderen zu einem Begriff. Das eigentliche Verständnis der Realität beginnt aber erst jenseits dieser Grenze.

Alle Kulturen und deren Religionen haben in den Künsten Fenster in dieser Grenzmauer zur jenseits des rationalen Verständnisses liegenden Realität gesehen. Die religiöse Zeremonie im Sakralraum ist dabei das Herzstück jeder Religion: Der Sakralraum ist der Ort, der gebaut wurde, um aus dem Raum in die Unendlichkeit zu treten und das Ritual die Zeitspanne die komponiert wurde, um aus der Zeit in die Zeitloskeit einzutreten. immer das Beste und Größte seiner Zeit wurde in den Dienst der Religion gestellt. Die Kirchen waren in ihrer Geschichte klug genug zu erkennen, dass große Kunst diese Kraft in sich trägt, egal, ob der Künstler sich in seinem Leben den Regeln der Kirche unterwarf, oder nicht. (Ob ein Gitarre spielender Theologe mit dem neuen geistlichen Lied „Danke für diesen guten Morgen" auch in diese Kategorie von Kunst fällt möchte ich dahingestellt sein lassen.)

Die Grundvoraussetzung um Musik erleben zu können ist es offen dafür zu sein nur das zu sehen und zu hören was zu sehen und zu hören ist, und nicht alles Gehörte nur als eine Chiffre die abgespeichertes Wissen abruft zu mißverstehen. Die Töne sind für sich stark genug, sie brauchen keine (musikwissenschaftliche) Hilfe. Platon wollte bestimmte Tonarten in seinem idealstaat verbieten, weil deren unmittelbare Wirkung zu stark war. Die Hörer im Griechenland Platons waren also nicht durch ihr rationales musikologisches Wissen so gepanzert, dass ihre Ohren verstopft waren.

Ich denke, dass eine Messe keine Bibelstunde ist, ihr Ziel und gleichzeitig ihre Voraussetzung ist es nicht den Geist mit Gedanken und Bildern zu füllen, sondern ihn leer und arm zu machen, denn selig sind die, die arm sind im Geiste - und dadurch frei.
nichts besonderes.

i went and i returned.
it was nothing special.
rozan famous for its misty mountains;
sekko for its water.
(chinesisches Gedicht)

Klaus Lang
Interpret/innen

Klaus Lang, Komposition
Pater Gerwig, Kantor
Natalia Pschenitschnikova,Stimme
Roland Dahinden, Posaune
Günter Meinhart, Schlagzeug
IEM Live Elektronik
TRIO RGB
Sophie Bansac, Violine
Cordula Grolle, Violoncello
John Eckhardt, Kontrabaß

Termine
Location
Mausoleum
Konzert
Uraufführung
Biografien
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2005 | missa beati pauperes spiritu