Die harmonische Sprache von Michael Jarrells Werken ist durch das subtile Ausloten von Intervallverhältnissen geprägt: Akkorde beziehen ihre Charakteristik aus der spezifischen Zusammenstellung ihrer Intervalle. Zu den musikgeschichtlich wichtigsten Vorläuferwerken für ein Komponieren mit Intervallverhältnissen zählen die späten Klavierkompositionen von Claude Debussy. In seinen Douze Étudesfür Klavier (1915) befreit sich Debussy von tonalen Relationen, indem er sich auf die Betrachtung einzelner Intervalle konzentriert. Jarrell hat drei der zwölf Etüden für ein eher kleines Orchester instrumentiert, wobei er Instrumente vermied, die Debussy selbst nicht zur Verfügung gehabt hätte. Er verfolgte bei seiner Orchestration der Etüden Pour les notes répétées, Pour les sonorités opposées und Pour les accords den Ehrgeiz, möglichst stilecht in Fortführung von Debussys späten, herberen Orchesterwerken zu arbeiten (etwa des Ballets Jeux aus dem Jahr 1913): Jarrell betrachtete Debussys Klavieretüden wie ein vorweg existierendes Material.
Jarrell versteht sein Komponieren als ein baumartiges System, in dem sich ähnliche Gestalten an unterschiedlichen Ästen auf verschiedene Arten entfalten können. Auf diese Weise entstehen ungewöhnlich enge Verbindungen zwischen seinen Werken - sogar zwischen seinen Originalkompositionen und seinen Orchestrierungen. Denn die (von Debussy stammenden) Titel der drei Etüden lesen sich wie eine Zusammenfassung dreier zentraler Gestaltungsmittel Jarrells eigener Musiksprache: repetierte Noten, gegenübergestellte Klangfarben und Akkorde. Wahrscheinlich nicht mehr als ein Zufall, fügt sich diese Koinzidenz doch schön und ungezwungen ins Gesamtbild eines Oeuvres, das von beziehungsreichen Verzweigungen bestimmt wird: „Ich glaube an ein Netzwerk im Kopf."