The House of Sounds - SoundLives
The House of Sounds - SoundLives - Datennetz - Experiment - Installation (1992,1996)

Klangobjekte befinden sich in einem Datennetz und werden dort von Computern beherbergt. Besucher (Use)r des Computers können mittels des Pro­gramms „The House of Sounds" in die­se Klangwelt hineinhören und sie dadurch auch beeinflussen. Diese Klangobjekte altern, können sich eigen­ständig von Computer zu Computer bewegen, Gruppen bilden, sich ver­mehren oder auch sterben. Die Lebens­grundlage sind über ein Datennetz zusammengeschlossene Computer, in der die Programme „The House of Sounds installiert werden. SOUNDLIVES findet im Datennetz statt. Dieses Experiment ist der Versuch, Klangobjekte als unabhängige Datenmengen selbständig in einem Datennetz wandern zu lassen und die Überlebensmöglichkeit dieser zu ergründen. Die Computerbenützer sind Beob­achter und Pfleger

(Enstanden im Klangatelier Algorythmics und am Institut für Elektronische Musik, Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz)

Vorwort

Das Material der Kommunikation ist die Information. Kommunikation ist der Austausch von Information, der im Zeit­alter der Computernetzwerke zunehmend automatisiert gehandhabt wird. Damit kann es sein, dass Information sich zunehmend verselbständigt und nicht mehr vom Informationsgenerator kontrolliert werden kann. Wird die Automatisation von Entscheidungen der Benutzer zunehmends unabhängig, kann ein System sich verselbständigen unter der Voraussetzung, dass es genü­gend lebenserhaltende Mittel zu Verfü­gung hat. Hier soll ein künstlicher Lebensbereich für Klangdaten geschaffen werden, der möglichst unabhängig vom direkten Eingriff seiner Quelle sein sollte. Es entsteht eine eigene Soziolo­gie von Klangobjekten, die vordefinier­ten Gesetzen ausgeliefert sind. Der Mensch wird zum Rezipienten dieser Welt.

Als Elemente werden Klangobjekte gewählt, die zusätzlich ein "Gedächtnis" in Form von Attributen und Merk­malen besitzen und im weiteren als SOUNDLIVE bezeichnet werden. (Die Klangobjekte/SOUNDLIVES sind nicht einfach digital gespeicherte Klänge, sondern jeweils eigene Programme, denen diese Attribute als Information eingeschrieben sind. Daher sind die Klangobjekte/SOUNDLIVES in der Lage, im Datennetz zu kommunizierenAuf diesem elektronischen, automatisierten lnformationsausstausch der Klangobjekte/SOUNDLIVES untereinander beruht diese Arbeit.) Diese Klangobjekte/ SOUNDLIVES zusammen ergeben eine Klangwelt, die in entsprechender Form rezipiert werden kann. Die SOUNDLIVES als Information verselbständigen sich und damit auch die Kommunikationswege und -strukturen. Kommunikationsstrukturen verändern sich mit der Umwelt und lassen heutzutage ver­schiedene Kulturen verschmelzen. Damit ist SOUNDLIVES der multikultu­rellen Vermischung sowie Differenz gewidmet.

Das System

SOUNDLIVES, die auch repräsentativ für den jeweiligen Ort der Einspeisung sein sollen (Realklänge aus der Umgebung oder Sprachelemente), befinden sich in einem Datennetz, wo sie zu überleben versuchen. Je öfter sie angehört werden oder je öfter sie mit gleichartigen SOUNDLIVES in Kontakt treten, desto größer wird ihre Chance, ein hohes Alter zu erreichen. "The House of Sounds" ist ein Programm, das den Lebensbereich für diese SOUNDLIVES steuert und kon­trolliert. Für den Benutzer stellt dieses Programm ein Fenster zu diesem Lebensbereich dar. Es ist das softwaremäßige Interface zur Realwelt. Es können mit der Zeit SOUNDLIVES aus verschiedenen Orten in einen Computer mit diesem Programm übersiedeln und somit die Klangvielfalt des "The House of Sounds" erweitern. Es bietet den SOUNDLIVES auch die Möglichkeit, sich zu vermehren. Somit bekommen diese SOUNDLIVES die Eigenheiten von selbständigen Wesen, die sich in ihrer Lebensumgebung (dem Datennetz ) bewegen können. Der Benutzer des Programms hat nicht die Möglichkeit, in die Wanderungen und "Gewohnheiten" der SOUNDLIVES unmittelbar einzugreifen. Aber der Benutzer beeinflusst durch sein Verhalten, beispielsweise sein Interesse für bestimmte Klänge, deren weitere Existenz. Der Benutzer kann jeden Tag „The House of Sounds" besichtigen, um zu erkunden, welche Klangobjekte noch vorhanden sind und welche neu angekommen sind oder erzeugt wurden. Je mehr Host-Computer mit „The House of Sounds" sich dabei beteiligen, desto interessanter wird jedes „The House of Sounds" und je verschiedener die Orte sind, desto "farbenreicher" wird es.

Die Spielregeln

Klänge sind in der Welt der Datennetze in Dateien digital aufgezeichnete Signale. Diese können mit Soundeditoren erstellt und bearbeitet werden. Die Generationsregeln der Klänge und deren Zusammenstellung inklusive der Klangdaten in Form von Mikrokompo­sitionen werden im weiteren als "Klang­objekt" bezeichnet. Klangobjekte werden mit Attributen (veränderliche Daten), wie z.B. Alter, Energie usw. und Merkmalen (fixe Daten) wie etwa Name, Ursprungsort, Charakter, usw. versehen und damit zu SOUNDLIVES gemacht. Es gibt mindestens einen Host-Computer (Ein Computer, der als Verwalter von Daten und Programmen eingesetzt wird, und unter einer bestimmten Computeradresse in einem Datennetz zu erreichen ist) in dem „The House of Sounds" instal­liert wurde. Dieser Host-Computer ist der Ort, wo SOUNDLIVES in das Daten­netz ausgesetzt werden und in weite­rer Folge angehört werden können. Sind mehrere Host-Computer mit „The House of Sounds" vorhanden, so stellen sie die potentiellen Heime für die SOUNDLIVES dar und sollten unterein­ander vernetzt sein, damit die SOUND­ LIVES zwischen den Host-Computern wandern können. (Dies bedeutet, dass immer eine Liste der umgebenden Host-Computer in einem Host-Compu­ter als Klangpfade vorhanden sein muss = "Map  of  the known  world".) Diese Verbindungen stellen den "Lebensbe­reich" der SOUNDLIVES dar und bilden eine "Landkarte" mit verschiedenen Wegen.

Jeder Besucher (user) eines Hast-Computers kann sich nun die SOUNDLIVES mittels „The Hause of Sounds" anhören und feststellen, welche SOUNDLIVES gerade in diesem „The House of Sounds" vorhanden sind. Dies geschieht in Form einer automati­schen Komposition, die wie ein Radio "endlos" die SOUNDLIVES abspielt. Zusätzlich hat der Hörer die Möglich­keit, gezielt einzelne SOUNDLIVES abzuhören und sie damit zu beeinflus­sen. Mit jedem The House of Sounds" wird eine Anzahl von SOUNDLIVES im System ausgesetzt. Diese SOUNDLIVES repräsentieren dieses „The Hause of Sounds" und tragen die Nachricht von der Existenz des „The House of Sounds" den anderen The Hause of Sounds" zu. Jeder SOUNDLIVE besitzt verschiedene  Merkmale  und Attribute, die ihm eigen sind. Unter anderem die Art des SOUNDLIVE , sein Geburtsda­tum, wie oft er gespielt  wurde und wo er überall war. Werden Klangobjekte mittels The Hause of Sounds" angehört, übergibt das Programm den zugehörigen SOUNDLIVES diese lnformation. Finden SOUNDLIVES andere SOUNDLIVES mit ähnlichen Merkmalen, so können sie mit ihnen eine Gruppe bilden. Erreichen SOUNDLIVES oder SOUNDLIVE-Gruppen gewisse Bedin­gungen, so gehen sie auf die Reise und suchen sich ein anderes „The House of Sounds" . Nach einer gewissen Zeit können sich SOUNDLIVES wieder von Gruppen abspalten. Ab einer bestimmten Zeit "sucht" ein SOUNDLIVE nach einem anderen SOUNDLIVE, der ihn merkmalsmäßig am besten ergänzt und kann sich mit ihm vermischen und dadurch einen neuen SOUNDLIVE erzeugen. Erreicht ein SOUNDLIVE ein bestimmtes Alter oder wird er zu wenig gepflegt (angehört), so stirbt er und löscht sich.

Die Implementierung

Nach einer Testphase in Simulation wurden jetzt die ersten Implementierungen des „The House of Sounds" vorgenommen. Hier wird nun eine mög­liche Implementierung aufgezeigt, die speziell für die Aufstellung an öffentli­chen Orten konzipiert wurde.

Hardware:

Sie besteht aus einem Computer, der für Audiodaten eingerichtet wurde (Soundsystem), und einer entsprechenden Tonanlage. Weiters ist ein Anschluss, ein Datennetz' notwendig. Der Computer wird in einem Kasten mit Monitor montiert und entsprechende Bedienelemente werden entworfen, die mittels Maus gesteuert werden können und eine intuitive Handhabung ermög­lichen.

"The House of Sounds" liefert zwei Arten Tonsignalen:

  1. Eine Komposition der Klangobjekte, die sich  gerade  im Computer befindet.
  2. Klangobjekte, die gezielt von den Benutzern abgerufen werden. Das erste­re kann in eine öffentliche Lautsprecheranlage gespeist werden, das eine Klanginstallation für diesen Bereich dar­stellt. Gedacht ist an die Verteilung in mehrere Lautsprecher, die in einem Raum, in einem Park, an einem Platz, in der Eingangshalle stehen können. Das  zweitere wird direkt über Lautsprecher beim Computer abge­spielt.

Software:

Die Implementierung der Software besteht aus dem Programmpaket "The Hause of Sounds", mit der durch die­se Klangwelt navigiert werden kann und mit dem Kompositionspfade beschritten werden können. Diese Soft­ware kann an schon vorhandenen, mul­timediafähigen Computer verwendet werden und könnte für verschiedene Plattformen zur Verfügung gestellt wer­ den. Der derzeitige Implementations­stand ist eine Uniximplementation für Linux und SGI. Es wurde auch ein 3D­ Grafikserver programmiert, mit der die Klangobjekte in 3D-Grafik animiert dar­gestellt werden und womit durch die Klangwelt des „The Hause of Sounds" navigiert werden kann.

Die Verbreitung

Diese Software mit oder ohne Computerinstallation sollte entsprechend wei­tergegeben und angekündigt werden, sodass möglichst viele "The House of Sounds" installiert werden können. Weiters könnten Institutionen oder Ein­zelpersonen im Netzwerk sich dessen annehmen und sozusagen am Experi­ment teilnehmen, indem sie diese Soft­ ware in ihren Computer installieren. Bedingt durch die Technik des Internets wurde das Netzwerk in Form von Ser­ver/Clients aufgebaut. Dies bedeutet, dass es mehrere Server gibt, die jeweils als Clients „The House of Sounds" haben. Jeder Server kann selbständig Clients hinzufügen und die Adressen der Clients werden dann mittels der SOUNDLIVES transportiert, um somit eine dynamische Adressverwaltung zu erreichen. Wird ein neues SOUNDLIVE erzeugt oder stirbt eines, gibt es jeweils eine Message an den UrServer (iem.mhsg.ac.at) ab, damit dort alle SOUNDLIVES statistisch erfasst werden können.

Experimentstatus

Da dies ein Experiment im Datennetz darstellt, bei dem die Lebensfähigkeit unabhängiger Datenmengen in Form von SOUNDLIVE-Dateien erforscht wer­ den soll, werden in gewissen Zeitabständen statistische Daten aller Host-Computer ausgewertet und veröffent­licht (Internet-News der „The House of Sounds").

Winfried Ritsch
Kooperationen

Auftrag des musikprotokolls

Termine
Location
Grazer Congress – Foyer
Installation
Biografien