Widescreen
Widescreen for 4 record-players and 2 casio key-boards

„Widescreen" ist die Musik zu einem imaginären Film, eine Landschaft in einem nicht existierenden Land. Komponiert wurde „ Widescreen" für das musikprotokoll '95; verwendet werden vier Schallplattenspieler und zwei Casio­ Keyboards.

„canvass the town and brush the back­ drop(Brian Wilson, Van Dyke Parks)

Eines Tages in den frühen achtziger Jah­ren kaufte Philip Jeck einen alten „Dan­sette"-Schallplattenspieler auf einem Flohmarkt. Sobald ich zu Hause war, bemerkte ich, das ist es, das ist genau das Richtige für mich. Vielleicht faszi­nierte mich das Grobe deAusführung: Das Gerät geht von 16 Upm direkt auf 78; es hat eigene Lautsprecher, d.h. man kann es spielen, ohne es an ein anderes Tonsystem anzuschließen. Genau damit wollte ich arbeiten, obwohl ich zeitweise auch modernere Geräte einsetze." Philip Jeck verwendet Schallplatten mit verschiedenster Musik. Die Gegensätzlichkeit dieser Materialien löst sich auf in Geschwindigkeitswech­seln, kurzen Überlappungsschleifen und Verzerrungen. Die fortschreitende Materialdegeneraiton durch sukzessives Wiederaufnehmen ist stilbildend in Jecks Strukturästhetik.

Für Kataloge und für das Cover seiner neuen CD „Loopholes" schuf sein Kollegege Jon Wozencroft eine schöne optische Analogie zu Jecks Musik, indem er Fotos von VHS-Aufnahmen bearbeitete, die beim Filmen von Fernsehbildern entstanden. Das Medium überlappt sich selbst, unterstreicht seine eigene cha­rakteristische Qualität: Es ist ähnlich der Methode, wie ich Töne erzeuge: nur Strukturen und Landschaften. Man ist sich nicht sicher, was es ist, und es ist auch nicht wichtig", sagt Jeck.

Durch akustische Schleifen von Tonband oder Schallplatte beginnt die Technik, ihre eigene Rhythmik zu finden. Ich höre den Ton und ändere dann die Klangregulierung am Aufnahmegerät. Und ich benutze tatsächlich nur zwei Effekte - einen alten billigen Klangre­flektor, der auch manchmal schlecht funktioniert und ein Gitarrenverzöge­rungspedal - ich werke daran herum, bis es richtig klappt."

Jeck wurde am Dartington College für visuelle Kunst ausgebildet und arbeitete in den siebziger Jahren an Performance­ Projekten. Für kurze Zeit war er Discjockey bei Kaufhausparties, bei denen er die neuen Plattenspielertech­niken imitierte, die er auf amerikani­schen Aufnahmen von Grandmaster Flash & The Furious Five's „Adventures On The Wheels Of Steel" gehört hatte. Schließlich, während einer fünf- bis sechsjährigen Zusammenarbeit mit der zeitgenössischen Tänzerin Laurie Booth, die ihn durch ganz Europa führte, entwickelte er seinen ganz persönlichen Stil auf der Bühne vor Publikum, was seinen Stil mehr der Performance-Kunst eines Paul Burwell und Max Eastley annähert.

Jecks Musikgeschmack ist breit gestreut und eklektisch: Er hört Musik von Brian Wilson und den Beach Boys, Sinatra's Capitol-Aufnahmen, John Cale und Nico, God, Material/Bill Laswell, befreundete Plattenspieler-Manipulatoren wie Chri­stian Marctay und Discjockey Krush, sowie die derzeit obligaten „Drei" aus Bristol: Massive Attack, Tricky und Por­tishead. Für Performance-Zwecke jedoch zieht Jeck Musikaufnahmen vor, die er auf Flohmärkten findet und die anson­sten im Nirgendwo landen würden.

In  der  kurzen  und spartanischen Information, die auf der  CD-Broschüre zu „Loopholes" erscheint, findet man ein lateinisches Zitat: 'Versa est luctum cit­ hara mea ...' . Das ist aus einem Musik­stück, das ich wirklich mag", erklärt Jeck, eine Begräbnis-Motette des spa­nischen Komponisten Victoria. Es bedeutet: 'Meine Harfe ist auf Trauer gestimmt'. Und ich trauere über viele Dinge in  dieser Welt, in  diesem Land."

Nach einem Text von Phil England aus Wire 8/95
Kooperationen

Kompositionsauftrag des musikprotokolls

Termine
Location
Grazer Congress – Kammermusiksaal
Konzert
Uraufführung
Biografien