„Kitab al-ilal", das „Buch der Ursachen", nannten vor zwölfhundert Jahren arabische Autoren eine Abhandlung über die Alchemie.
,,Mich fasziniert, dass alles begründbar auseinander hervorgeht, und doch so irrational ist, dass kaum eine Vorausprojektion möglich ist", sagt Karlheinz Essl über die Musik Alban Bergs, und beschreibt damit zugleich ein Charakteristikum seiner eigenen kompositorischen Absicht.
Das Erstellen von kompositorischen Mechanismen, die ursächlichen zusammenhängen während des ständigen Fortschreitens und Verwandelns einen hohen Stellenwert beimessen einerseits, der (alchemistische) Wunsch nach der Umwandlung und Reinigung von Elementen und das (chemische) Wissen um die dabei entstehenden Nebenprodukte andereseits lassen sich als bestimmende Faktoren der Arbeit des Komponisten Karlheinz Essl beschreiben.
Mit Peitschenknallen, metallischen Perkussionsklängen und tonlos luftigem Spiel der Bläser beginnt ... et consumimur igni ..., mit geräuschhatten Klängen ohne definierbare Tonhöhe. Die daraus hervorwachsenden Prozesse tendieren mit wechselnder Geschwindigkeit und Intensität zu einer als Gegenpol verstandenen, reinen und tonhöhenfixierten Klangcharakteristik.
In drei Ensemble-Gruppen laufen diese Entwicklungen parallel ab, doch mit jeweils eigenem Zeitempfinden, sich auseinander bewegend, aneinander herantastend, überholend. Ein Zeit-Raum entsteht, in dem die zeitlichen Verschiebungen die Koordination des klingenden Raumes ergeben, der seinerseits wieder zur Bedingung für die erzählerische Essenz des Stückes wird.
Der klare Klang mit fixierter Tonhöhe in seiner raumgreifenden Wirkung erscheint als eine der Stationen eines alchemsitischen Weges, der vom Wandern und Pendeln zwischen Polen, zwischen Geräusch und Ton, zwischen Punkt und Fläche geprägt ist.
... et consumimur igni, .,... und werden vom Feuer verzehrt", ist die zweite Hälfte eines rätselhaften Palindroms, das in seiner ganzen, von hinten wie von vorne gelesenen Form vom kreisenden Gehen in der Nacht und der Reinigung durch das symbolhafte Bild des Feuers berichtet. Der Titel charakterisiert eine Komposition, im Laufe derer sich die Facetten komplexer Klangelemente in ständiger Bewegung verändern und erneuern.