Intersecazioni II
Intersecazioni II für Violine und Orchester

Die Jahre 1959 bis 1961 waren für mich erfüllt von fieberhaftem Entwerfen, Verwerfen und Neukonzipieren musikalischer Architek­turen. Am Anfang stehen die lntersecazioni, gefolgt von den Mouvements, Fasce, Spiegel – alles Orchesterwerke – und zwei großen Orchesterentwürfen, die später in einem Opernprojekt aufgegangen sind. Parallel dazu lief eine lebhafte äußere Aktivität:

Es waren die ersten Jahre der Arbeit mit dem Ensemble „die reihe" und meiner Tätigkeit an der Wiener Musikakademie. Die Zeit für Reinschriften von Partituren war knapp: sie erfolgte für den ersten (jetzt etwas überarbeiteten) Teil der lntersecazioni, für Spiegel V und III. Alles andere blieb zunächst als Particell liegen. Zwei vorge­sehene Aufführungen des ersten Teils von lntersecazioni (Hamburg und Berlin) scheiterten an der Unmöglichkeit, angesichts der damals ungewohnten Notationsweisen, das Aufführungsmaterial kurzfristig herzu­stellen. Diese Erfahrung war begreiflicher­weise nicht eben ein Ansporn, eine Rein­schrift des zweiten Teils auszuarbeiten.

Erst 1970 wurde die Arbeit wiederaufgenom­men und im Auftrag des Grazer Musikproto­kolls 1972/73 fertiggestellt. lntersecazioni sind ein Werk für Solovioline und Orchester. In der Orchesterbesetzung fällt das Fehlen der Oboen und Fagotte auf. Der Streich­körper ist auf zwölf solistisch geführte Instrumente beschränkt. Zu den Holzbläsern treten drei hohe Saxophone (Sopranino, Sopran, Alt); die Rolle einer eigenen Orchestergruppe fällt den Instrumenten Mandoline, Gitarre, Harfe, Celesta, Cembalo, Klavier und Harmonium zu. Die Gruppe der Schlaginstrumente ist stark besetzt; eben­falls eine eigene Gruppe bilden vier menschliche Stimmen (zwei Soprane, Alt, Tenor).

Sprachlich und formal sind die lntersecazioni mein komplexestes Stück aus dieser Periode, vielleicht das kühnste – sicherlich das am wenigsten glatte.

Neben punktueller Technik steht das Denken in Aggregaten und auch schon Klang­flächen. Die sprachliche Vielfalt wird aber ausschließlich zu dem Zweck eingesetzt, nebeneinander auch übereinanderliegende Prozesse faßbar zu machen. Verschiedene Notationsweisen erlauben eine präzise Steuerung des Ausmaßes an Aleatorik.

Insgesamt sind für dieses Stück die Erfah­rungen aus meinen „Relazioni" für Cembalo und Kammerorchester besonders wichtig gewesen. Bewegungstypen werden wechselnd bestimmten Orchestergruppen zugeordnet. Das Gegeneinander solcher Gruppen artikuliert den formalen Ablauf, ohne daß das räumliche Element – natürlich in solcher Technik von Wichtigkeit – spektakulär, plakativ in Erscheinung tritt.

Das Soloinstrument ist weder als Widerpart des Orchesters wie in alten – und auch in manchen neuen Solokonzerten eingesetzt – noch – wie meist bei Ligeti – als eine, wenn auch etwas bedeutendere Stimme im Gesamtgewebe verwendet. Es hat die Funktion einer Orchestergruppe, die eben nur aus einem Instrument besteht.

Der Titel „lntersecazioni" bedeutet Unter­brechungen. Entwicklungen werden abgeschnitten, gestört, erdrückt, verdrängt, in andere Bahnen geleitet; der Begriff ist aber auch für die Vorgänge im Mikrobereich gültig, wo solches Geschehen nicht im einzelnen registriert werden kann, aber verantwortlich ist für die interne Artikulation. Wollte man das Verhältnis der beiden Sätze charakterisieren, so könnte man darauf aufmerksam machen, daß im ersten ausge­breitete Klangfelder dominieren, während die im zweiten Satz zunächst über weite Strecken vorherrschende Arbeit mit ver­schieden strukturierten und zeitlich dispo­nierten Blockbildungen diesem den Eindruck des Konzisen, vielleicht Dramatischen verleiht. Erst vor dem Scherzando-Schluß darf ein Prozeß richtig auslaufen und damit zur inneren Ruhe zurückführen.

Friedrich Cerha
Interpret/innen

Das Südfunk-Symphonieorchester
Dirigent: Michael Gielen
Solist: Ernst Kovacic, Violine

Kooperationen

Kompositionsauftrag des ORF-Studios Steiermark

Termine
Location
Grazer Congress – Stefaniensaal
Konzert
Uraufführung