Jahrelang dachte ich, man dürfe keine Streichquartette mehr schreiben. Aber ich habe vergessen, warum. Wahrscheinlich, weil man das Streichquartett in seiner Vernünftigkeit für reaktionär und zu bürgerlich gehalten hat. Ich bin aber in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Kammermusik ohnehin keine Chance hatte, repräsentativ zu sein. Streichquartette waren dort immer schon marginalisiert. Künstlerische Absetzbewegungen haben sich immer gegen das Etablierte gerichtet. Ich habe aber die Quartette von Beethoven nie als etabliert empfunden, sondern als in ihrer Existenz höchst gefährdete Kulturprodukte, die ohne Schutz nicht gedeihen. Auf eine aussterbende Tierart soll man nicht schießen. Ein Künstler, der etwas Schutzbedürftiges abschaffen will, hat nicht verstanden, wofür man kämpfen sollte.
Buch für Streichquartett ist geschrieben im Gedenken an Pierre Boulez. Sein Livre pour Quatuor ist eines der großartigsten, längsten, sprödesten, unverständlichsten und überwältigendsten Streichquartette, die ich kenne. Obwohl ich mich seit zwanzig Jahren mit diesem Stück beschäftige, habe ich den Schlüssel dazu nicht gefunden. Buch ist dieser Schlüssel sicher nicht, eher eine Suchbewegung und eine Verneigung. Es ist dem Quatuor Diotima gewidmet.