RSO Wien

Chimera
Kaija Saariaho

konzert für klavier und großes orchester (2014/20)
Philipp Maintz

Disparates
Jorge E. López

Kaum ein Komponist der Musikgeschichte habe, so hieß es in einem unserer Texte zu Beginn des heurigen „Beethoven-Jahres“, kaum einer habe so wie er zugleich eine Blutspur und einen Kometenschweif am Himmel des Komponierens hinterlassen. Sich an Beethoven „abzuarbeiten“, daran wagten sich immer wieder Komponierende. Das heurige RSO Wien Konzert beim musikprotokoll führt dies wie mit einer Umklammerung vor: Eröffnet wird das Konzert von einer kurzen, fast fanfarenartigen und irgendwie augenzwinkernden Beethoven-Hommage der finnischen Komponistin Kaija Saariaho, enden wird das Konzert Aug in Aug von Mann zu Mann: Der Komponist Jorge E. López, der großen Orchesterbesetzungen noch nie abhold war, arbeitet sich mithilfe des Orchesters durch Beethovens Bagatellen. An den beiden zentralen Stellen inmitten des Konzertes stehen zwei Uraufführungen. Der 1977 geborene Komponist Philipp Maintz hat für den finnischen, in Wien lebenden Pianisten Joonas Ahonen, eine Neufassung seines Konzerts für Klavier und Orchester geschaffen. RSO Wien Chefdirigentin Marin Alsop wird mit diesem Programm erstmals beim musikprotokoll in Graz gastieren.


Kaija Saariaho ist ein prominentes Mitglied einer aufmüpfigen Gruppe finnischer Künstler und Künstlerinnen, die mittlerweile feste Größen im internationalen Musikgeschehen sind. Saariaho entwickelte Techniken des computergestützten Komponierens wie auch eine souveräne Virtuosität in der Arbeit mit Tonband und Live-Elektronik. Die dabei gesammelten Erfahrungen öffneten ihr auch den Zugang zum Komponieren für Orchester, wobei der Schwerpunkt auf der Gestaltung und langsamen Transformation von dichten Klangmassen liegt. Obwohl ihr Werkkatalog vor allem Kammermusik umfasst, hat sie sich zunehmend großen Besetzungen und Formen zugewandt. Kaija Saariaho wurden zahlreiche bedeutende Preise zuerkannt, darunter der Grawemeyer Award, der Sibelius-Preis der Wihuri-Stiftung, der Nemmers-Preis für Komposition, der Léonie-Sonning-Musikpreis und der Polar Music Prize. Sie selbst war 2015 die Jurorin des Toru-Takemitsu-Kompositionswettbewerbs.


Philipp Maintz wurde 1977 in Aachen geboren. Er studierte Komposition bei Robert HP Platz am Conservatorium in Maastricht und bei Karlheinz Essl in Linz im Studio for Advanced Music & Media Technology. 2005 erhielt er den Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung, 2010 das Stipendium der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo. Die Münchener Biennale für neues Musiktheater eröffnete 2010 mit der Uraufführung seiner Oper MALDOROR, 2019 war seine Kammeroper THÉRÈSE bei den Salzburger Osterfestspielen und in der Elbphilharmonie Hamburg zu hören.


Joonas Ahonen absolvierte sein Studium an der Sibelius-Akademie in Helsinki, wonach er seine Karriere weitgehend außerhalb Finnlands aufbaute. Als seine wichtigsten Kammermusikpartner nennt Ahonen die Geiger Patricia Kopatchinskaja und Pekka Kuusisto sowie die Sängerin Agata Zubel. Ahonen trat als Solist u.a. mit dem Philharmonischen Orchester Helsinki, dem Symphonieorchester des Finnischen Rundfunks, the BBC Symphony Orchestra, dem Ictus Ensemble und dem Avanti! Chamber Orchestra auf. Seit 2011 ist er ein Mitglied des renommierten Klangforums Wien.


Jorge E. López, geboren 1955 in Havanna, wuchs in New York City und Chicago auf. Von 1971 bis 1976 studierte er Komposition bei Leonard Stein und Morton Subotnick und Musik am California Institute of Arts, bezeichnet sich jedoch als Autodidakt. Seine Wurzeln sieht er gleichermaßen in der westlichen Kunstmusik, im Surrealismus (als Methode verstanden), in der Wissenschaft und in dem Erleben der wilden Natur. 1990 kam er nach Europa und lebt heute in Wien. Von 2000 bis 2003 war er Gastkünstler des ZKM Karlsruhe. Orchester- und Kammerensemblewerke wurde bei namhaften Festivals für neue Musik in Europa aufgeführt. Gefördert wurde er durch die Akademie der Künste Berlin, die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung München, die Paul-Sacher-Stiftung Basel, die Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks und durch ein Österreichisches Staatsstipendium.


Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien ist ein weltweit anerkanntes Spitzenorchester, das sich der Wiener Tradition des Orchesterspiels verbunden fühlt. Bekannt ist es für seine außergewöhnliche und mutige Programmgestaltung: Häufig werden das klassisch-romantische Repertoire und Werke der klassischen Moderne mit zeitgenössischen Stücken und selten aufgeführten Werken anderer Epochen verknüpft. Seit 2007 hat sich das Orchester durch seine kontinuierlich erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Theater an der Wien auch als Opernorchester etabliert. Das RSO Wien hat ein breit angelegtes Education-Programm ins Leben gerufen. Dazu gehören Workshops für Kinder und Jugendliche. Bereits seit 1997 werden jedes Jahr hochbegabte Musiker/innen in die RSO-eigene Orchesterakademie aufgenommen. 2018 erhielt das Orchester den renommierten ICMA in der Kategorie „Symphonic Music“ für die dreiteilige CD-Box Martinů: The Symphonies. Seit September 2019 ist Marin Alsop Chefdirigentin.


Marin Alsop ist eine international renommierte Dirigentin, die nicht nur für ihre abwechslungsreichen Konzertprogramme, ihre Vermittlungsaktivitäten und ihren leidenschaftlichen Einsatz für die Musikförderung geschätzt wird, sondern auch von der tiefen Überzeugung getragen wird, dass Musik für den Menschen von zentraler Bedeutung ist. Mit der Saison 2019/20 hat Alsop als neue Chefdirigentin die musikalische Leitung des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien übernommen. Als Chefdirigentin und Kuratorin des Ravinia Festivals in Chicago wird sie auch die bevorstehenden Konzerte des Chicago Symphony Orchestra in deren Sommerresidenz dirigieren. Das Baltimore Symphony Orchestra wiederum wird Alsop 2021 für die erfolgreiche 14-jährige Zusammenarbeit ‒ in deren Verlauf sie unter anderem das Schulungsprogramm OrchKids für sozial benachteiligte Jugendliche ins Leben rief ‒ mit dem Titel der Ehrendirigentin würdigen. Wie Alsop überhaupt Musikgeschichte geschrieben hat: sie ist nicht nur die einzige Dirigentin, der die MacArthur Fellowship verliehen wurde, sondern auch die erste Frau am Dirigentenpult bei der „Last Night of the Proms“ der BBC. Um junge Dirigentinnen am Beginn ihrer Karriere zu ermutigen und zu fördern, initiierte Alsop 2002 das Stipendienprogramm Taki Concordia Conducting Fellowship.

RSO Wien 2020