Aria
Aria für Sopran und sechs Instrumente (1998/99)

Aria ist ein Stück über die Entfrem­dung und Wiederbegegnung zweier Menschen, die - so zeigt es die kurze Szene - einander offenbar einmal geliebt hatten und sich bei dem zufälligen Zusammentreffen erst langsam wieder aneinander herantasten. Gün­ter Eichs Hörspiel Festianus Märtyrer - Bei geöffnetem Fenster bildet das Zentrum des Stückes neben Texten aus Georges Batailles L'Impossible. Die Szene wird aus der Sicht einer Frau geschildert, von einem Soloso­pran, in drei verschiedenen Klangper­spektiven bzw. es werden drei Klang­gesten miteinander konfrontiert.

Die Klanggesten, chromatische Figu­ren in Zweiunddreißigsteln, sich ver­ändernde lntervallstrukturen in Sexto­len sowie sequenzierende Modelle in Sechzehntel. Es sind Elemente eines Strukturmodells - ohne explizit hör­ bar zu werden - im Hintergrund des Stückes. Alle 42 Takte werden in Aus­ schnitten wiederholt.

Aria vollführt Grenzgänge zwischen Klingen und Nicht-Klingen. Insofern bleibt Furrer auch dem utopischen Potential seiner früheren Stücke treu: Im atemlosen Stillstand wird erahnbar, was sich jenseits der erstarren­den Subjektivität entfalten könnte.

 

Aus: Festianus Märtyrer - Bei geöffnetem Fenster

Von Günter Eich

Frau: Hörst du? Sieh, ich kann zu dir sprechen, als wärst du hier,- und liegt doch die Nacht zwischen uns wie ein schwarzes Gebirge, und jeder Augen­ blick ist eine neue Felswand von Tren­nung, unübersteigbar, endgültiger mit jeder Stunde! Und dennoch bist du hier, immer näher bei mir, und nie konnte ich so zu dir sprechen wie jetzt. Du kamst aus der einen Einsam­keit und gehst in die andere,- jeder Kuss macht dich fremder, jede Umar­mung ärmer --

Ich grüße dich, wie eine Klippe ihren Adler grüßt, der davonfliegt, seine Schwingen werden unsichtbar in der eisigen Feme; wo seine Kralle ruhte, löst sich ein Stein und fällt in die Tiefe, das ist alles, und die Wälder bemerkten es nicht. Dorthin gelüstet es dich, nach den Wohnungen der Menschen, nach der tröstlichen Spra­che des Windes im Geäst, ebenso wie es mich gelüstet.

Höre nicht auf dein Herz und verstop­fe mit Wachs deine Ohren, - denn nie wirst du das erreichen, was du ersehnst. Nicht hier und nirgendwo. Aber geh weiter, kehre nie zurück.

Deine Einsamkeit verdoppelt die meine.

Nach einem Text von Reinhard Kager
Interpret/innen

Komposition: Beat Furrer
Sopran: Petra Hoffmann
ensemble recherche

Kooperationen

Mit freundlicher Unterstützung der Pro Helvetia, Zürich.

Termine
Location
Grazer Congress – Stefaniensaal
Konzert
Österreichische Erstaufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 1999 | Kurtag/Furrer