Von metamusic zu metavoices. Wenn Papageien Musik machen. (Text: Susanna Niedermayr) Können auch Tiere eine Freude am Musizieren haben? Seit Dezember 2012 entwickelt die Künstlergruppe alien productions im Rahmen von "metamusic" in enger Zusammenarbeit mit den Zoolog/innen der ARGE Papageienschutz elektroakustische Musikinstrumente für Papageien. Der work in progress wird seit Projektbeginn von Zeit-Ton begleitet und dokumentiert.
Initialzündung lieferten das ORF musikprotokoll im steirischen herbst und das Festivalnetzwerk ICAS der International Cities of Advanced Sound. alien productions haben das Konzept zu "metamusic" bei einer unserer Ausschreibungen eingereicht, das Konzept hat uns sofort begeistert. Nach mehreren Präsentationen in Österreich und Deutschland hat das Projekt eine PEEK-Förderung des Wissenschaftsfonds FWF erhalten (PEEK steht für "Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste").
Animal Computer Interaction
Seit rund einem Jahr werden die bisherigen Forschungsfragen, Thesen, Beobachtungen und Erkenntnisse nun kanalisiert, fokussiert und in einem Viersäulenmodell miteinander vernetzt. In dem sich dabei aufspannenden Forschungsfeld greifen die Bereiche Kunst, Zoologie, Kulturwissenschaft und Interface Design ineinander.
Für letzteres haben alien productions Martin Kaltenbrunner und Reinhard Gupfinger von der Abteilung Interface Cultures des Instituts für Medien der Kunstuniversität Linz ins gemeinsame Boot geholt. Gupfinger, der das erste Mal von "metamusic" in einem Zeit-Ton Magazin hörte, beschäftigt sich in der Abteilung Interface Cultures insbesondere mit einem neuen Bereich innerhalb der Forschungsdisziplin Musical Interface Design, mit dem Animal Computer Interaction Design.
Reinhard Gupfinger wird seine Ph.D.-Arbeit über "metamusic" schreiben. Im Rahmen seiner Recherchen für ein erstes wissenschaftliches Paper, mit dem das Forschungsfeld abgesteckt werden sollte, ist Gupfinger auf „Animal-Computer Interaction (ACI): a Manifesto“ gestoßen, ein Manifest von Clara Mancini von The Open University’s School of Computing and Communications. „Es geht um allgemeine ethische Richtlinien, wie man mit den Tieren umgehen sollte“, erklärt er. „Es gibt ganz viele Tiertrainer, die Tiere abrichten und dabei füttern, um zu gewissen Ergebnissen zu kommen. Solche Sachen werden bei uns und auch in diesem Manifest ausgeschlossen.“ Die Beschäftigung mit Tieren sollte immer in erster Linie der Verbesserung ihrer Lebensqualität dienen, anstatt der menschlichen Unterhaltung.
Gegenseitige Konditionierung
Ohne es zu kennen arbeiteten die Künstler/innen von alien productions in den vergangenen fünf Jahren bereits ganz im Geiste dieses Manifestes, wobei, so Norbert Math, der ursprüngliche Anspruch, die Vögel eben nicht zu konditionieren nicht hundertprozentig eingehalten werden konnte. "Man kann nicht nicht konditionieren", erklärt Math auf Heinz Förster verweisend, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass man auch nicht nicht kommunizieren kann. "Man glaubt, wenn ich mich jetzt hinstelle und nichts sage, dann passiert auch nichts. Aber genau so geht es eben nicht, und genau so geht es auch nicht mit den Papageien. Wenn wir sagen, wir verweigern die Konditionierung, dann reden wir uns etwas ein, das eigentlich nicht stattfindet, weil wir genau dann auch wieder mit Konditionierung arbeiten. Eigentlich konditionieren wir uns dann selber. Diese ganzen Vorgaben waren zu Beginn des Projektes natürlich sehr wichtig, um einen klaren Standpunkt zu haben, aber im Laufe des Projektes haben wir sehr viel gelernt und jetzt ist Kommunikation das wichtigste."
Abstrakt formuliert könnte man sagen, dass es bei "metamusic" darum geht, eine Kommunikation zwischen zwei verschiedenen Spezien aufzubauen, ergänzt Martin Breindl. Dabei würde sich dann allerdings auch die Frage stellen, wer hier eigentlich wen mehr konditioniert, die Menschen die Papageien, oder die Papageien die Menschen? "Es passiert viel öfter, dass Menschen Papageien imitieren als umgekehrt", führt Breindl aus. "Das haben wir auch bei unserem Publikum sehr stark gemerkt. Der Mensch neigt dazu die Geräusche, Sätze oder Lautäußerungen, die ein Papagei macht, aufzunehmen und wiederzugeben, natürlich in der Hoffnung, eine Kommunikationsebene mit den Vögeln zu finden. Das heisst, die Konditionierung ist auch so etwas wie ein kleines Spielchen zwischen uns. Und wenn es uneindeutig ist, dann finde ich das jetzt auch nicht unbedingt so schlimm."
Animus Symposium
Clara Mancini wird ihr Manifest am 1. Juni beim Syposium "Animus" im Audimax der Kunstuniversität Linz näher vorstellen, das von der renommierten Papageienexpertin Irene Pepperberg mit einer Key Note eröffnet werden wird. Und es wird noch weitere Vorträge aus den Bereichen Verhaltensforschung, Informatik, Zeitgenössische Kunst und Kulturwissenschaften geben. Das Symposium "Animus" bildet den Abschluss der nächsten öffentlichen Präsentation von "metamusic", diesmal im Linzer Atelierhaus Salzamt. Vom 24. Mai bis zum 1. Juni ist das Publikum wieder eingeladen, das metamusic-Labor zu besuchen, um sich selber einen Eindruck von der laufenden Forschungsarbeit zu machen. Sechs Graupapageien aus dem Papageienheim der ARGE Papageienschutz werden für diese Zeit in die eigens konstruierte Klangvoliere ziehen. Die Besucherinnen und Besucher würden nicht zuletzt einen wesentlichen Beitrag leisten, so Martin Breindl. "Wenn Menschen von außen kommen und sich ebenfalls mit den Papageien beschäftigen, dann wird die Kommunikationsebene noch erweitert."
Von metamusic zu metavoices
In dieser gemeinsamen Sendung der Zeit-Ton- und der Ö1 Kunstradio-Redaktion lassen wir mit den Künstler/innen und Zoolog/innen die vergangenen fünf Jahre noch einmal Revue passieren. Im Anschluss daran hören Sie das Radiostück "metavoices - Landschaft mit Graupapageien" von Andrea Sodomka.
Andrea Sodomka hat sich gemeinsam mit den ORF Tonmeistern Elmar Peinelt und Martin Leitner mit den vielfältigen Papageienstimmen und ihren jeweiligen Spielweisen auf den für sie entwickelten Instrumenten intensiv auseinandergesetzt. Basierend auf hunderten Sound-Aufnahmen, die im Rahmen des Projektes "metamusic" seit 2012 entstanden sind, hat Sodomka ihre neue Radiokunstarbeit "metavoices – Landschaft mit Graupapageien" entwickelt. Darin zu hören sind die Lautäußerungen und Gespräche der Vögel, aber auch ihre Bewegungen. "Zuerst war das Projekt rein dokumentarischer Natur", schildert Sodomka, "aber bald haben mich die Klangvielfalt der Papageienstimmen und die Spielweisen der Tiere auf den für sie entwickelten elektroakustischen Musikinstrumenten zu Klangbearbeitungen inspiriert."
Ausstellung und Workshop
Parallel zur Präsentation von "metamusic" in Linz wird im Rahmen von Fluss 2017 im Schloss Wolkersdorf die von alien productions in Kooperation mit der Abteilung Interface Cultures des Instituts für Medien der Kunstuniversität Linz kuratierte Ausstellung "ANIMA_L" über den "(medien)künstlerischen Umgang mit tierischer Intelligenz" stattfinden. Sie wird am 27. Mai eröffnet. Bei den 29. weinviertler fotowochen kann man vom 22. Juli bis zum 29. Juli einen Workshop mit den Künstler/innen besuchen, der den Titel "Aus der Sicht der Tiere" trägt.