Eine Produktion mit dem ORF musikprotokoll & Kunsthaus Graz in Kooperation mit dem steirischen herbst. Im Rahmen von ECAS – Networking Tomorrow’s Art For An Unknown Future, Gewinnerprojekt des ECAS Call 2012, working period 2 „Bridging“. Co-Kuratorin: Susanna Niedermayr (ORF musikprotokoll, Leiterin der ECAS Netzwerkaktivitäten). Projekt-Koordinatorin: Katrin Bucher Trantow.
Kunsthaus Graz, Space04, Lendkai 1, 8020 Graz
Eröffnung: 27.09.2014, 12:30 Uhr.
Dauer: 27.09. – 12.10.2014 Information: +43-316/8017-9200.
Seit dem Ende der 1990er-Jahre tobt im Osten der Demokratischen Republik Kongo ein Bürgerkrieg, in dem bis heute mehr als fünf Millionen Menschen ums Leben gekommen sind. Der irische Filmemacher und Fotograf Richard Mosse war gemeinsam mit dem Kameramann Trevor Tweeten zwei Jahre lang in diesem Gebiet unterwegs – dabei entstand die filmische Installation The Enclave: Sie hält die beängstigenden Eindrücke des Albtraums Krieg auf einem 16-mm-Infrarotfilm fest, und zwar nicht aus der dokumentierenden Perspektive eines Kriegsreporters, sondern als künstlerisch-persönliche Annäherung an das Grauen.
Die humanitäre Katastrophe im Osten der Demokratischen Republik Kongo wird von den Massenmedien weitgehend ausgeblendet, weswegen die dort stattfindenden Massaker und Menschenrechtsverletzungen sowie die allgegenwärtigen sexuellen Gewalthandlungen einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind. The Enclave macht diese Vorgänge sichtbar und hörbar: Richard Mosse verwendete dafür eine ursprünglich militärische Filmtechnologie, deren Produktion vor Kurzem eingestellt wurde: Kodak Aerochrome wurde während des Zweiten Weltkriegs entwickelt, um getarnte Stellungen im Gelände aufzuspüren, indem das für menschliche Augen nicht wahrnehmbare Infrarotlicht-Spektrum sichtbar gemacht wird. Die außergewöhnlich schöne, grüne Landschaft an den Ufern des Kivusees, in der dieser Krieg tobt, wird auf dem Aerochrome-Film in grellen Farbtönen von Lavendel, Purpur und Pink festgehalten.
Die Installation
Sechs große doppelseitige Leinwände ermöglichen im vollständig abgedunkelten Space04ein beinahe körperliches Eintauchen in die Installation, wobei die Betrachter/innen – anders als in einem Kino – gezwungen sind, aus unterschiedlichen räumlichen Blickwinkeln zu interagieren. Auf diese Weise wird die rohe Brutalität des Kriegs gezeigt, sowohl seitens der kämpfenden Milizen als auch aus der Perspektive der bedrohten Zivilbevölkerung. Für den beklemmenden Sound hat Ben Frost Aufnahmen zusammengestellt, die in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu gesammelt wurden.
Richard Mosse sagt in einem Interview mit John Kelly für den irischen Sender RTE: „Ich glaube, dass Schönheit das schärfste Werkzeug im Werkzeugkasten ist. Wenn man den Betrachter dazu verleiten kann, ästhetischen Genuss beim Betrachten einer Landschaft zu empfinden, in der am laufenden Band Menschenrechtsverletzungen stattfinden, dann versetzt man ihn damit in eine sehr problematische Lage. Er fühlt sich moralisch bloßgestellt und ist wütend auf sich selber. Und er ist wütend auf den Fotografen, der diese Gefühle in ihm ausgelöst hat. Dieser Moment der Selbstwahrnehmung ist sehr wirkmächtig, denn nun muss der Betrachter sich seine eigene Meinung bilden, eine eigene ethische Haltung einnehmen. Er ist gezwungen darüber nachzudenken, wie Bilder über Konflikte entstehen.“
2012 erhielten Richard Mosse und Ben Frost von ECAS (European Cities of Advanced Sound) einen Kompositionsauftrag, mit dessen Unterstützung The Enclave entstand. Das Werk wurde als Irlands Beitrag zur 55. Biennale von Venedig im Jahr 2013 ausgewählt. Mit der Grazer Präsentation wird The Enclave erstmals in Österreich gezeigt.
The Enclave
Regie und Produktion: Richard Mosse (IR)
Schnitt: Trevor Tweeten (US)
Tondesign: Ben Frost (AU)
Dauer: 39:25 min
Technik: 6-Kanal-Videoinstallation, 16-mm-Infrarotfilm, digitalisiert, 6-Kanal-Audio
2012–2013
Richard Mosse
Richard Mosse, geboren 1980 in Irland, ist Fotograf, Filmer und zeitgenössischer Künstler. 2008 machte er seinen MFA an der Yale Kunstakademie. Er beschäftigt sich in seinen neueren Arbeiten mit Punk, psychedelischen Wirkungen, Romantik und modernen militärischen Aufklärungstechnologien. An diesen Schnittstellen bildet The Enclave einen Höhepunkt in seinem Schaffen. Mosse repräsentierte Irland 2013 auf der 55. Biennale von Venedig mit The Enclave und gewann damit 2014 auch den Deutschen Börse Photography Prize. Das Pulitzer Center für Krisenberichterstattung gab seine erste Einzelarbeit, Infra, mit heraus. Sein zweites Einzelwerk, The Enclave, wurde von der Aperture Foundation veröffentlicht. Mosse erhielt das Yales Poynter Fellowship für Journalismus (2014), den BEN-Hauptpreis der Biennale in Frankfurt (2013), einen Auftrag des ECAS (2012), das Guggenheim-Stipendium (2011) und ein Leonore-Annenberg-Stipendium (2008–2010). Das Magazin Foreign Policy führte Mosse 2013 als „Leading Global Thinker“.