German only
Das 1992 entstandene und beim Festival Wien Modern im selben Jahr durch das Klangforum Wien unter der Leitung des Komponisten uraufgeführte, einsätzige Stück für Kammerorchester beschwört - wie schon im Titel angedeutet - Vergangenes und dessen Schatten, die in die Gegenwart reichen.
Das Werk für 20 Instrumentalisten wird vor allem dominiert durch die Intervallverhältnisse von kleiner Sekunde und kleiner Terz, jeweils in engen und weiten Lagen, auch komplementär auftretend. Findet die Sekunde vor allem melodisch, also horizontal, Verwendung, so wird die Terz „räumlich“ - nicht nur vertikal - eingesetzt. Es entstehen Umgrenzungen, Ton-Räume, Ton-Inseln.
Kleine Terzen werden überdies zur Harmoniebildung herangezogen: chromatisch auf- oder absteigend, allerdings jeweils oktavversetzt, werden sie zu Bausteinen eines zwölfstimmigen, den gesamten chromatischen Tonvorrat benützenden Akkords.
Die offenliegenden vertikalen Terzen erinnern an Bekanntes, Erlebtes, also Vergangenes. Diese Terzen schaffen auch die Räumlichkeit, die vorhin erwähnten Umgrenzungen und Ton-Inseln. Am deutlichsten geschieht dies, wenn sich die Posaune auf engem Raum innerhalb liegender kleiner Terzen der Hörner bewegt. Später setzt sich diese Konstellation, etwas ausgeweitet und auch ausgedehnter, in den Streichern fort.
Die Assoziationspaare „beweglich - fest" und „stehend fließen - fließend stehen" bestimmen den Charakter der Komposition. Echos und Schatten, durch die Sitzordnung der Streicher verstärkt - drei Paare sitzen sich jeweils gegenüber, dem Kontrabass ist eine zentrale Rolle zugeteilt - bilden innere Leitlinien beim Nachhören und Hineinhören.
„Mundo Perdido“ wird ein Ausgrabungsbezirk der alten Maya-Stadt Tikal genannt. Das Bild der durch die Natur zur Gänze überwucherten historischen Pyramiden und Burgen beeindruckt: sie erscheinen als Metapher, als Symbol für Vergänglichkeit und gleichzeitig eine weit zurückliegende Vergangenheit, die verrätselt bleibt und doch in die Gegenwart hineinwirkt.
Unbestimmtem wird vorsichtig Form verliehen. Eine verlorene, überwucherte Welt lässt Vergangenes nur noch in Umrissen erahnen. So entsteht gleichzeitig Raum für Neues.
Das Phänomen Tikal – „Mundo perdido“ - stellt sich unabhängig von seinem spezifischen Kulturkreis dar. Deshalb finden sich in der Komposition keinerlei folkloristische Zitate, keine Exotik, keine „Weltmusik".