Susanna Niedermayr im Gespräch mit noid.
Susanna Niedermayr: Gibt es einen bestimmten Klang, der die Initialzündung für Deine Werkreihe disposable instruments lieferte?
noid: Ja, das war das Rascheln von Plastiksackerln auf einem Gemüsemarkt in Seoul. Ich habe dort Field Recordings gemacht und beim Abhören der Aufnahme ist mir dieses Knistern, Rascheln und Rauschen aufgefallen. Das habe ich schließlich transkribiert. So ist das erste Stück entstanden, aus dem sich dann diese Werkreihe entwickelt hat. Den Anlass dafür haben diverse Gesetzesinitiativen geboten, um das Plastik zu bekämpfen und aus unserem Alltag hinauszudrängen. Ich bin da absolut nicht dagegen, aber ich habe mich auch gefragt, welche Klänge damit verloren gehen. Die disposable instruments sind auch maximal weit entfernt von diesem Fetischismus, der rund um teure Instrumente mitunter betrieben wird. Und man ist sehr nahe an dieser hohen Anforderung an Musik, die zu einem veränderten Hören der Welt führt. Ich denke, hier hat man gute Chancen, wenn man Geräusche, die sowieso da sind, eben als Musik hört. Die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, ist natürlich eine sehr schwierige Aufgabe. Für mich ist das eigentlich die Hauptaufgabe. Wie kann man die Aufmerksamkeit auf etwas lenken, das dazu da ist, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen?
SN: Als wir Dich eingeladen haben, Deine Werkreihe disposable instruments im Rahmen einer SHAPE+ Artist Residency weiterzuentwickeln, und Dich gefragt haben, mit wem Du dafür gerne zusammenarbeiten würdest, ist Deine Wahl auf Anthea Caddy gefallen, die wir dann auch als SHAPE+ Artist nominiert haben, warum?
n: Eigentlich aufgrund ihres Cello-Spiels. Also Anthea Caddy ist ja auch eine Cellistin, die sich ganz stark mit den Randklängen des Instruments beschäftigt. Was ich nicht wusste, und da war ich dann sehr überrascht: Sie hat, als sie noch in Australien gelebt hat, drei Jahre lang in einem Großmarkt gearbeitet und wurde dabei zur absoluten Spezialistin für das Aus- und Einpacken von chinesischen Gebrauchsgegenständen und Präsentationsgütern. Sie ist eine ziemliche Virtuosin im Verpacken mit Schrumpffolie. Und in letzter Zeit hat sie ihren Fokus immer mehr in Richtung Klangkunst verlegt. Sie hat also einerseits diesen musikalischen Zugang, sie ist eine Improvisatorin am Instrument, andererseits hat sie aber auch einen konzeptionellen Zugang. Sie weiß, wie man mit Objekten umgeht und mit Kontexten arbeitet. Und sie ist, wie sie selbst sagt, „The Queen of Surfaces“, also sie hat diesen haptischen Zugang, behält dabei aber gleichzeitig das Konzept im Kopf.
SN: Das Trio komplettieren wird Elisabeth Flunger …
n: Sie ist klassisch ausgebildete Perkussionistin. Mir war die richtige Balance zwischen Improvisation und Komposition wichtig. Und sie hat sich in ihrer künstlerischen Praxis auf den Umgang mit Metallobjekten spezialisiert. Sie beschäftigt sich also ebenfalls mit dem Alltäglichen, den alltäglichen Geräuschen und sucht nach dem Besonderen im Normalen. In Ihrem Spiel mit den losen Schrottteilen spielt der Zufall eine große Rolle, sie forscht ständig nach neuen Spielmöglichkeiten, verzichtet aber bewusst auf Kontrolle und auf die Beherrschung ihres Instruments. Damit verweigert sie sich dem Perfektionismus und dem Leistungsgedanken.
SN: Im Zuge Eurer Klanguntersuchungen habt Ihr auch neue Spielweisen entwickelt …
n: Bei meinen bisherigen Präsentationen der disposable instruments habe ich versucht, die Aufmerksamkeit des Publikums vor allem durch die Art der Inszenierung zu lenken. Und in dem Fall haben wir mit Kontaktmikrophonen gearbeitet, die wir zum Teil in den Objekten platziert haben. Das erzeugt eine Nähe und auch Immersivität, die sonst nur schwer zu erreichen ist.