Starke Sogkräfte entfaltet die Große Chromatische Fantasie (Symphonie) für drei Klaviere, eine knapp einstündige Klangreise durch fantastisch zerklüftete Landschaften. Mikheil Shugliashvili staffelt die Klänge der drei Instrumente zu immer neuen Strukturen. Cluster und verschlungene Klangkaskaden formen dabei dieses monolithische Werk. Das ausgeklügelte, spieltechnisch anspruchsvolle Zusammenspiel und das verschachtelte Ineinandergreifen der formalen Abläufe kommen in der Zusatzbezeichnung „Symphonie“ zum Ausdruck (von griechisch sýmphōnos, zusammenklingend). Kleinräumige Wiederholungen werden auf höchst ungewöhnliche Weise konstruktiv behandelt. „Kuben aus Klang und Zeit“ bilden sich, wie Thomas Meyer schreibt: „Schon früh hat dieser Komponist begriffen, wie man das Klangmaterial durch Wiederholung entleert, ja aushöhlt und damit neue Entwicklungsmöglichkeiten findet und erfindet, ja neue Zeitarchitekturen baut.“
Hell und Dunkel, filigrane Dichte und rasender Stillstand wechseln einander ab, steuern stringent auf das Finale zu, wo sich einlöst, was bereits im Titel angedeutet ist: Bachs Chromatische Fantasie (ohne Fuge) stürzt in wild verschlungenen Läufen auf uns ein. Die Mathematik hinter den Abläufen bleibt dabei im Verborgenen, sorgt aber für harmonische Progressionen von magnetisierender Kraft. Die Große Chromatische Fantasie entstand in den Jahren 1974 und 1976 bis 1978. Die Uraufführung fand 2013 in Tbilisi im Rahmen des Festivals Close Encounters statt, interpretiert von Tamriko Kordzaia, Tamara Chitadze und Nuza Kasradze.