SOL, ein immersives audiovisuelles Environment in völliger Dunkelheit, ist nach der Live-Performance FEED (2005) und der Installation ZEE (2008) das dritte Werk in Kurt Hentschlägers fortlaufender Reihe von phänomenologischen Arbeiten. Ausgesprochen minimalistisch angelegt, wird mit SOL ein Raum geschaffen, in dem sich die Wahrnehmung verschiebt und die Zeit stillzustehen scheint. Die Installation konfrontiert das Publikum vor allem mit dem Verlust der visuellen Wahrnehmung, den bei Dunkelheit und Orientierungslosigkeit ablaufenden psychologischen Prozessen und der Bedeutung der akustischen Raumerkundung und Navigation.
In der Dunkelheit von SOL blitzen in unregelmäßigen Intervallen für Sekundenbruchteile gleißend helle geometrische Abstraktionen auf. Wenn das Publikum wieder in Dunkel gehüllt ist, kann es jede Menge retinale Nachbilder sehen. Diese Phantombilder unterscheiden sich von Person zu Person, abhängig von deren jeweiligen Position im Raum, ihrer Blickrichtung und ihrer Entfernung zur Lichtquelle, und sie klingen auch wieder ab – bis der nächste Lichtblitz das Dunkel durchzuckt.
Untrennbar verbunden mit der visuellen Gestalt von SOL – Dunkel- heit und Licht – ist die Surround-Soundscape, die sich als Ambient-Amalgam aus (zu den Lichteruptionen) synchronem und asynchronem Klangmaterial präsentiert. Über wogenden Infrabass-Patterns vermischen sich übereinandergeschichtete spatialisierte Sinuston-Drones mit elektronischen Klangobjekten, rhythmischen Elementen und bearbeiteten Field Recordings von Insekten. Licht und Klang scheinen auseinander hervorzugehen, sich aber auch unabhängig voneinander im Raum zu entfalten. Bestimmte klangliche und visuelle Ereignisse kehren wie Loops wieder und unterstreichen so den minimalistischen Charakter von SOL, das keinen Anfang und kein Ende hat (jedenfalls solange es Strom gibt). Die Klänge und Bilder von SOL lassen sich am besten als atmosphärisch beschreiben, als dynamische Masse, die nicht wie eine nach klassischen Prinzipien aufgebaute Komposition an einem starren Schema oder Rhythmus festhält, sondern sich in einem dynamischen Prozess entfaltet und verändert. Betrachtet man audiovisuelle zeitbasierte Komposition aus der Perspektive eines virtuellen Malers und Bildhauers, dann beruht SOL auf der Idee von Materie, die unter bestimmten (Umgebungs-)Bedingungen eine andere Gestalt annimmt, wie zum Beispiel Wasser, das abhängig von Umgebungsdruck und Temperatur als Flüssigkeit, Gas und Festkörper in Erscheinung treten kann.
Auch in dieser Hinsicht müssen der Sound und die Komposition für den jeweiligen Raum, in dem SOL präsentiert wird, adaptiert und auf die architektonischen Gegebenheiten wie auch die Resonanzverhältnisse und Halleigenschaften abgestimmt werden.