Die „Molekularorgel“ des Künstlers Constantin Luser ist ein Kunstwerk besonderer Art: eine bespielbare Skulptur aus Blechblas-Röhren, auf denen, abgesehen von vier mit Zügen ausgestatteten Instrumenten, nur die Naturtöne der jeweiligen Grundstimmung erzeugt werden können.
Die damit sich bietende Chance, auch einmal eines jener – wie es im betriebsüblichen Jargon heißt – „gut ausgehörten“ Stücke zu schreiben, die sich in der einfältigen Präsentation von Oberton-Wundern ergehen, habe ich mit großer Freude aus geschlagen. – Dies umso lieber, als die 35 zum größten Teil im Vierteltonabstand gestimmten Röhren fast unendliche Möglichkeiten bereitstellen, das beschränkte Naturtonspektrum jedes einzelnen Instruments durch geschickte Kombination mehrerer Röhren zu überlisten. Auf diese Weise lassen sich synthetische Tonhöhen-Konstellationen verschiedenster, doch stets entschieden atonaler Art erzeugen, die wiederum sowohl die harmonischen als auch die linearen Ereignisse bestimmen.
Diese Art und Weise, das Klangmaterial zu organisieren, impliziert in diesem Fall auch eine Vorentscheidung über die Satztechnik, die sich sowohl im Detail als auch in formaler Hinsicht am Prinzip der sogenannten „durchbrochenen Arbeit“ orientiert. Die 7 Blechbläser werden in „röhren“ also nicht solistisch, sondern von vornherein und durchwegs als ein kombiniertes Instrument eingesetzt – d.h. dem Namen der Skulptur entsprechend als eine riesige Orgel, mit deren „Manualen“ und „Registern“ gespielt wird. Vielleicht wird die Komposition auf diese Weise dem Werk von Constantin Luser gerecht, dessen Zeichnungen, Skulpturen und Installationen einen zutiefst musikalischen Grundzug aufweisen und die in ihrem schalkhaften Witz und ihrer schamlos exponierten Zweckfreiheit zu den beglückendsten Erfahrungen zählen, die man derzeit machen kann.
röhren: der Titel lässt sich sowohl substantivisch als auch adjektivisch lesen; alle Modi und Bedeutungsaspekte, auch die dialektalen, sind auskomponiert.