Rund um den Jahreswechsel ziehen sie lärmend durch die Gassen. Hinter grimmigen Masken und mit Tierfellen, Moos und Ästen behangen marschieren die Perchten auf, um mit ihren Glocken und Ketten laut scheppernd und rasselnd den Winter zu vertreiben, auf dass der Frühling wieder einziehen kann. Diese nicht nur im alpenländischen Raum, sondern auch in anderen Teilen Europas gepflegte und dabei bis in die vorchristliche Zeit zurückreichende Tradition diente Andi Stecher, der in Innsbruck aufgewachsen ist, als Inspiration und inhaltlicher Leitfaden für sein Solo-Debut „austreiben/antreiben“, das 2015 in der Heart of Noise Edition erschienen ist. In den vier Stücken auf „austreiben/antreiben“ erkundet der Komponist, Schlagzeuger und Multiinstrumentalist das musikalische Potential der Perchtenläufe, die ihn schon lange interessiert hätten, wie er uns in einem Interview für Zeit-Ton erzählte.
Roh, erdig, kraftvoll, wild und urgewaltig waren Eigenschaftsmerkmale, für die der Musiker eine klangliche Entsprechung gesucht hat; Zustände, in die er sich beim Komponieren hineingedacht hat und in die auch seine Gastmusiker eingeladen waren, sich hineinzudenken. „(Un)durchdringbar“ – „Möglicher Zugang Übergang 1“ – „Möglicher Zugang Übergang 2“ – „Tödi“, beim Hören dieser vier Stücke durchlebt das Publikum die einzelnen Phasen, die den von den Perchten herbeigeläuteten Verwandlungsprozess charakterisieren. Eine sich sukzessive steigernde Anstrengung, die nach Erlösung strebt, eine bahnbrechende Befreiung und schlussendlich die Tödi (also das weibliche Pendant zum männlichen Tod) als ein Ende mit Anfang.
Denn ist das Alte erst einmal ausgetrieben, kann das Neue angetrieben werden. Die Perchten sind für Andi Stecher auch symbolische Wegbereiter der Fruchtbarkeit. Sein Solo-Debüt ist eine Verbeugung vor dem Rhythmus der Natur und eine feierliche Wertschätzung des Übergangs an sich, denn durch ihn gelangt auch das menschliche Leben immer wieder zu neuer Blüte. „Altes muss gehen“, so der Musiker. „Das ist nicht immer leicht, das ist teilweise brutal, aber es ist ebenfalls ein Rhythmus, den man respektieren sollte. Ja, man kann ihn schon auch wertschätzen, denn jedes Ende bringt ja Neues.“
Beim musikprotokoll wird Andi Stecher „austreiben/antreiben“ gemeinsam mit Antti Virtaranta und Katharina Ernst erstmals in der Trioversion präsentieren, inklusive neuer, bislang unveröffentlichter Stücke aus dieser Werkreihe.