Der Titel des Stücks stellt insofern einen Bezug zu dem 1232 auf Mallorca geborenen Logiker und Philosophen Ramon Llull her, als die Zahl 1231 auf das Jahr verweist, in dem er gezeugt wurde. Dass in konfliktreichen, düsteren Zeiten, in denen das Aufeinanderprallen zweier Reiche und dreier Religionen zu einem Genozid geführt hatte, auf einer kleinen, abgeschiedenen Insel im Mittelmeer solch ein herausragender Denker geboren wurde, beschäftigte meine Phantasie und lenkte meine Gedanken auf die Linearität der Zeit und die ewige Wiederkehr des Gleichen: unabwendbares Schicksal in der Retrospektive.
Sehr bald wurde die Zahl 1231 zum Ausgangspunkt meines kompositorischen Konzeptes. 1231 ist eine Primzahl, die noch dazu die erste (2) und zweite Primzahl (3) enthält, deren Addition wiederum die dritte Primzahl (5) ergibt; die Quersumme von 1231 ist die vierte Primzahl (7).
Das harmonische Spektrum, das in diesem Stück verwendet wird, beruht auf den Frequenzverhältnissen der Zahl 1231, verstanden als 1231 Hz, was ein Dis ergibt, wenn man von einem A mit 435 Hertz ausgeht. Dis und seine natürlichen Obertöne sind die zentralen Tonhöhen dieses Stücks und auch als Anspielung auf Ramon Llull zu sehen. Das Tonhöhenmaterial wird zudem noch um die Obertöne von A erweitert.
Dem A mit 435 Hz kommt in der Musikgeschichte besondere Bedeutung zu, ist es doch der erste Stimmton, der gesetzlich eingeführt wurde (Frankreich, 16. Februar 1859) und als „diapason normal“ bekannt ist. In Erweiterung des Tonmaterials verwende ich in meiner Komposition die Obertonreihen von Dis und A in zwei verschiedenen Stimmungen, wobei die eine auf einem A mit 440 Hertz, die andere auf einem A mit 435 Hertz basiert. Diese Entscheidung macht es notwendig, oder besser gesagt, es ist zumindest praktikabel, synthetisch erzeugte Frequenzen als elektroakustische Ergänzung zu verwenden.
Was die rhythmisch-melodische Gestaltung des Tonmaterials betrifft, so suche ich jene musikalischen Formen auszuloten, die in der klassischen westlichen Tradition unter dem Begriff geistliche oder religiöse Musik zusammengefasst werden. In 1231 gibt es unter anderem Passagen, die rhythmisch-meditativ, fast statisch ausgestaltet sind, während sich andere durch eine lebhaftere, dynamische Bewegung auszeichnen.
Im Hinblick auf die Form kann die Zahl 1231 als Verweis auf die innere Architektur des Stücks gelesen werden. Es ist dreiteilig aufgebaut und besteht aus einer Introduktion, einer Durchführung, die sich in zwei kontrastierende Teile gliedert, und einer Coda, in der die Themen der Introduktion wieder aufgegriffen werden. Zu guter Letzt kann das gesamte Stück noch als Einleitung zu einem größeren Werk verstanden werden, das nicht nur auf den gleichen Proportionen beruht, sondern auch den Kerngedanken eines Schicksals in der Retrospektive in sich trägt.