Personal Soundscapes
Volkmar Klien
Personal Soundscapes

Die Geschichte kurz zusammengefasst im Überblick

Die Geschichte der Soundscape-Komposition reicht zurück bis in die 1940er Jahre zu den Anfängen der Musique Concrète. Musiker wie etwa Pierre Schaeffer, Pierre Henry oder Luc Ferrari nahmen die um sie herum klingende Umwelt auf Tonband auf, um diese Aufnahmen daraufhin als musikalisches Ausgangsmaterial für ihre Kompositionen zu verwenden.

4 Minuten und 33 Sekunden vermeintliche Stille

Am 29. August 1952 brachte der Pianist David Turdor dann die wohl radikalste Komposition der Musikgeschichte zu ihrer Uraufführung, John Cages 4'33". Tudor betrat die Bühne, öffnete den Klavierdeckel, saß exakt 4 Minuten und 33 Sekunden lang regungslos und schweigend vor dem Instrument, danach schloss er den Klavierdeckel wieder und verließ das Geschehen. Zu hören war in diesen 4 Minuten und 33 Sekunden also nichts, oder – andersherum betrachtet – alles. Mit seiner Komposition 4'33" lenkt John Cage die Aufmerksamkeit der Zuhörenden unweigerlich auf die Stille, die aber niemals wirklich still ist, sondern immer voller Sounds steckt. In 4'33" wird die klingende Umwelt zum Orchester und die Alltagsgeräusche werden zur Musik.

„In der Musik sollte es uns genügen, unsere Ohren zu öffnen“, so John Cage einmal im Gespräch mit dem Musiker, Musikwissenschafter und Philosophen Daniel Charles. „Musikalisch gesehen, kann alles in ein Ohr eindringen, das für alle Töne offen ist. Nicht nur für Musik, die wir schön finden, sondern auch durch Musik, die das Leben selbst ist.“ (Aus: Für die Vögel. John Cage im Gespräch mit Daniel Charles, Merve Verlag, Berlin 1984.)

Die Entstehung des Begriffes Soundscape...

Der Begriff Soundscape wurde schließlich von dem kanadischen Komponisten, Schriftsteller, Maler und Pädagogen Murray Schafer geprägt. Es verbindet das Wort „landscape“ (Landschaft) mit dem Wort „sound“ (Laut, Schall, Klang). Ins Deutsche übersetzt bedeutet Soundscape also Klanglandschaft. Der Begriff Soundscape umfasst die Gesamtheit aller akustischen Ereignisse, die an einem bestimmten Ort stattfinden.

...und die Lehre der Akustischen Ökologie

In der ebenfalls von ihm begründeten Lehre der Akustischen Ökologie machte Murray Schafer darauf aufmerksam, dass der uns umgebende vielgestaltig klingende Raum nicht nur ein potentiell musikalischer, sondern auch ein politischer Raum ist; ein stets umkämpfter Raum also, in dem sich die herrschenden Machtverhältnisse widerspiegeln. Am lautesten waren in den Dörfern Englands im Mittelalter die Kirchenglocken, und es war auch die Kirche, die die größte Macht besaß, schreibt Schafer 1977 in seinem Schlüsselwerk The Tuning of the World. Im aufkommenden Industriezeitalter des 19. Jahrhundert waren es dann die Fabriksirenen, die die Menschen zur Arbeit riefen, und im Krieg war es die Artillerie.

Die akustische Gestaltung der Welt sollte den KomponistInnen überantwortet werden, war Murray Schafer der Meinung, sie sollten mit einem allumfassenden Sound-Design den anarchistischen Zuständen, die unsere Klanglandschaften beherrschen, ein Ende setzen. Dieser totalitäre Ansatz rief jedoch schnell KritikerInnen auf den Plan, auch aus den eigenen Reihen, die vor dem hier drohenden Kulturimperialismus warnten.

1993 entstand in Kanada das World Forum for Acoustic Ecology (WFAE), das Weltforum für akustische Ökologie. Neun Organisationen aus Kanada, USA, Mexiko, Europa und Japan ver- bindet das WFAE heute. Zu ihnen zählt u.a. das Forum Klanglandschaft, das KomponistInnen, WissenschafterInnen und AktivistInnen aus Österreich, der Schweiz, Italien und Deutschland vereint.

Linz als Hörstadt

Für einen politisch bewussten Umgang mit Fragen der Akustik möchte auch das Team der Hörstadt sensibilisieren, des 2009 gegründeten Linzer Labors für Akustik, Raum und Gesellschaft. Jeder Mensch hat das Recht auf eine akustische Umwelt, die ihn nicht krank macht, so das Leitmotto. Mit seiner Kampagne Beschallungsfrei macht das Hörstadt-Team seither gegen die Zwangsbeschallung in Geschäften mobil. Für den Linzer Gemeinderat wurde die Linzer Charta ausgearbeitet, eine Leitlinie für eine Stadtgestaltung, die Fragen der Akustik bereits in der Planungsphase berücksichtigt und die 2009 im Linzer Gemeinderat einstimmig beschlossen wurde.

Hörenswürdigkeiten

Die VerfechterInnen der akustischen Ökologie möchten aber nicht nur auf das Lärm-Problem aufmerksam machen, sondern auch auf interessant Klingendes, auf die kathedralartigen Hallräume unter Brücken etwa oder auf die sanft murmelnden Brunnen. Hörenswürdigkeiten wie diese verleihen einem Ort seinen jeweils spezifischen akustischen Charakter.

Das Klingen der Kulturen

„Jede Stadt erzählt ihre auditive Geschichte, so wie jeder Raum spricht und ein Klangereignis färbt“, mit diesen Worten fasst es der Klangkünstler und Musiker Sam Auinger zusammen. „Topographie, Architektur, ökonomische und soziale Struktur und Dynamik, all das lässt sich hören. Wenn ich raus auf die Straße gehe, die Stadt durchwandere und ihr zuhöre, dann höre ich unsere Kultur. Sie ist laut, ruhelos, von Verbrennungsmotoren-, Strom- und Medienklängen dominiert, und sie ist verknüpft und vermischt in einem Netz von Infrastruktursystemen.“

Weltumspannende akustische Kartographierung

Murray Schafer war der erste der vorschlug, unsere Klanglandschaften systematisch akustisch zu vermessen. Wie das getan werden könnte, demonstrierte er mit dem 1973 von ihm ins Leben gerufenem World Soundscapes Project. Das Internet stellt nun die ideale Infrastruktur für eine weltumspannende akustische Kartographierung unserer Klanglandschaften dar. Bei der Interpretation der Aufnahmen ist aber in jedem Fall Vorsicht geboten. Die Art und Weise, wie wir die klingende Umwelt wahrnehmen ist zuerst einmal subjektiv und dabei von unserem kulturellen Hintergrund und unserer sozialen Herkunft geprägt.

Die Vielgestaltigkeit der Soundscape-Komposition Soundscape-Kompositionen können ganz unterschiedliche Gestalten annehmen. Man kann gezielt bestimmte Klänge sammeln, um mit diesen dann das Klangbild eines konkreten Ortes, so wie man es in Erinnerung hat, nachzubauen. Man kann sich aber auch von den aufgenommenen Klängen zur Schaffung ganz neuer bislang ungehörter Klangwelten inspirieren lassen, die Klänge dabei vielleicht auch elektronisch verfremden und mit Instrumentalklängen kombinieren. Oder man arbeitet installativ und nutzt, wie das etwa Bill Fontana 1990 im Rahmen des Ö1 Kunstradio- Projektes Landscape Soundings getan hat, die Möglichkeiten der digitalen Direktübertragung und lässt in Wien im Park zwischen dem Kunsthistorischen und dem Naturhistorischen Museum die Stopfenreuther Au ertönen.

Susanna Niedermayr
Audiodoku
Audio file
Volkmar Klien präsentiert Soundscapes des Projektes "Personal Soundscapes" in einem Live-Kunstradio © ORF musikprotokoll
Interpret/innen

SoundscaperInnen
Volkmar Klien
(A) Workshopleiter

Elke Tschaikner (A) Christian Scheib (A) Susanna Niedermayr (A) Fränk Zimmer (L) Konzept
Folgende AutorInnen und JournalistInnen haben Wissensblöcke zu dem Thema „Soundscapes“ auf der Projektseite zusammen- gestellt: Volkmar Klien, Sam Auinger, Sabine Breitsameter, Thomas Burkhalter, Reni Hofmüller, Susanna Niedermayr, Caroline Profanter, Christian Scheib, Elke Tschaikner, Fränk Zimmer, Florian Sedmak, Elisabeth Zimmermann
Fränk Zimmer (L) Projektleitung
Gregor Kokorz (A) Lektorat

In Kooperation mit:
Auphonic Smartphone App
siacus Webdesign, CMS
mur.at Hosting
steirischer herbst Kooperation

Kooperationen

Auftragswerk musikprotokoll und ORF Kunstradio.

Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2013 | Personal Soundscapes
musikprotokoll 2013 | Ö1 Radio sehen, Radio hören