Metallomorfosi
Metal

Wu xing bezeichnet in der chinesischen Philosophie eine alle Seinsbereiche umfassende Ordnungsvorstellung, der zufolge fünf Grundelemente einer ständigen Wandlung unter- liegen. In diesem endlosen dynamischen Kreislauf der Transformation befindet sich Metall zwischen den Elementen Erde, in deren unermesslichen Tiefen es entsteht, und Wasser, das von Metall belebt wird. Meine Komposition Metallomorfosi thematisiert genau den Moment, in dem Metall gebildet wird, also die betreffenden Atome näher zusammenrücken und sich in bestimmter Weise anordnen. In diesem Übergang von einem Zustand in einen anderen zeigt sich (auf einer mikroskopischen Ebene) das dynamische Beziehungsgeflecht, das zwischen den fünf Elementen besteht: Eingebunden in einen zyklischen Prozess von Werden, Wandlung und Vergehen, nährt, schwächt, oder kontrolliert immer ein Element ein anderes.

Das Ensemble fungiert vor allem als Hyper-Instrument, als eine Art „Mikroskop“, mit dem die inneren Aspekte der Entwicklung des Klangmaterials vergrößert werden können. Die einzelnen Instrumente werden aber auch aufgrund ihrer spieltechnischen Möglichkeiten eingesetzt oder im Hinblick auf ihre klangfarbliche Verwandtschaft kombiniert. Dieser Ansatz entspricht meiner üblichen Arbeitsweise und wird metaphorisch durch das Foto illustriert, das ich als Symbol für Metallomorfosi gewählt habe, das im Grunde aber für fast alle meine Kompositionen stehen könnte. Mir geht es darum, in das Klangmaterial einzudringen und bei der musikalischen Ausgestaltung verschiedener Parameter und Aspekte den Fokus auf die möglichen Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten und auf die Transformationen der klangfarblichen Valeurs zu richten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Metallomorfosi nicht verschiedene Zustände derselben Substanz, sondern die Prozesse der Wandlung und „Modulation“ von einem Zustand in einen anderen präsentiert, indem subtilste Wechselbeziehungen und Verwandtschaften identifiziert werden, um die Übergänge zwischen den – selbst für die Zuhörenden grundverschiedenen und weit voneinander entfernten – Zuständen oder Aspekten dynamisch zu gestalten. Es ist ein Klangmaterial, das von innen heraus vibriert, das „lebt“, wie die elektronenmikroskopische Aufnahme von nanokristalliner Zellulose zeigt.

Der kompositorische Aufbau zeichnet ein prozessuales, aber nicht linear orientiertes Geschehen nach, das von einer variierenden, aber nie aufgelösten Spannung getragen stetig, wenn auch nicht kontinuierlich voranschreitet, um von einer – aus figurativer, rhythmischer und harmonischer Perspektive – sehr artikulierten „chaotischen“ Situation durch die Metamorphose der musikalischen Parameter zu einer geordneten Struktur und Stabilität zu gelangen. In Bezug auf die harmonische Gestaltung wird die Instabilität einer oszillierenden, auf das Spektrum von Es fokussierten Klangfläche in einer Modulation „verzerrt“ und schließlich aufgelöst und übergeleitet in ein Spektrum von d, dem Ton, der in der chinesischen Philosophie dem Metall zugeordnet wird.

Franco Venturini - Übersetzung: Friederike Kulcsar
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Franco Venturini, Klangforum Wien © ORF musikprotokoll
Interpret/innen

Klangforum Wien (A)
Jean-Michaël Lavoie (F) Dirigent
Rebecca Lenton Flöte
Markus Deuter Oboe
Bernhard Zachhuber Klarinette
Lorelei Dowling Fagott
Christoph Walder Horn
Anders Nyqvist Trompete
Andreas Eberle Pausaune
Annette Bik Violine
Gunde Jäch-Micko Violine
Dimitrios Polisoidis Viola
Benedikt Leitner Violoncello
Uli Fussenegger Kontrabass
Björn Wilker Schlagwerk
Florian Müller Klavier

Kooperationen

Dem Klangforum Wien zugeeignet.

Termine
Location
AK Kammersaal
Konzert
Österreichische Erstaufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2013 | Klangforum Wien / Unirsi al cielo