Im vierundvierzigsten Brief der Gefährlichen Liebschaften von Chloderlos de Laclos schildert der galante Held Vicomte de Valmont das Vergnügen, das es ihm bereitet, Macht über sein Gegenüber auszuüben – eine „übergewissenhafte Kammerzofe“, die, wie der Briefeschreiber ironisch anmerkt, „der Jahreszeit entsprechend“ gekleidet, deren hauchdünne Kleidung jedoch auch durch die allergrößte Hitze nicht zu entschuldigen sei – indem er ihm befiehlt, weder die Lage noch das Gewand zu ändern. Sein Genuss wird dadurch noch gesteigert, dass er auch sich selbst allerhöchste Unbewegtheit verordnet und die Gelegenheit, so günstig sie ist, zu nichts anderem nutzt als zu einem kaltblütigen Gespräch, in dem er der Zofe den Zugang zu den Geheimnissen ihrer Herrin abnötigt. Wer sich zu einer liaison dangereuse mit der Musik hingezogen fühlt, wird sich selten in der Lage finden, über sie gebieten zu dürfen, während sie entblättert vor einem liegt.
Ganz im Gegenteil, meist sind wir es, die, zur Interpassivität verdammt, voll Bangen oder lüstern, hoffentlich in irgendeiner Form erregt, dem akustischen Ereignis beiwohnen, das sich vor uns in unablässiger Bewegung vollzieht. Und selbst dann, wenn die Musik sich entschließt, gleichfalls in Nichtbewegung zu verharren, sind wir ihr ausgeliefert wie die Zofe dem Grafen und sind am Ende gar bereit, ihr Zugang in das Geheimste zu gewähren, das wir bewahren. Sind Worte und Musik ein gutes Beispiel für eine liaison dangereuse? Es ist eine gefährliche Beziehung, weil jeweils der eine oder der andere alles aufs Spiel setzt, wenn er sich mit dem je einen oder anderen einlässt. Es ist eine erfolgreiche Beziehung, denn nur gemeinsam machen sie Politik. Es ist eine utopische Beziehung, denn die unio mystica findet nicht statt. Leben Sie gefährlich. Fordern Sie: „Encore“.