Was geht im Kopf einer deutschsprachigen Person vor, wenn sie die Übersetzungen eines persischen Textes liest, wobei sie auf der gegenüberliegenden Seite den in persischer Schrift geschriebenen Text sieht? Wahrscheinlich würde sie die Bedeutung des Textes aus der Übersetzung, und den in persischer Schrift geschriebenen Text quasi als ein grafisches Bild wahrnehmen.
Einen ähnlichen Vorgang könnte man sich bei derselben Person auch beim Zuhören eines in persischer Sprache vorgetragenen Textes vorstellen. Dabei würden ihr in erster Linie Sprachmelodien, Akzente, Konsonanten, Vokale, rhythmisch und metrische Proportionen auffallen.
Ausgehend von diesen Überlegungen begann ich für Blutige Erinnerungen schrittweise ein Stück für Vokalensemble unter Verwendung persischen und deutschen Textes zu komponieren. Ich analysierte beide Texte sehr genau, um die phonetische Aspekt des Textes, die metrischen und rhythmischen Proportionen zu finden. Aus diesen Materialien habe ich erst zwei bis acht verschiedene rhythmische Schichten skizziert, dann phonetische Materialien darauf neu strukturiert.
Im persischen Text verwende ich Phoneme und Konsonanten als Impuls, Knall, Rauschen, Flüstern, Sprechen, Hauchen, während der deutsche Text oft als Mittel der Textverständigung funktioniert. Zu Beginn ist der persische Text als Begleitung zum deutschen Text gedacht, die unter Ausnutzung der Vielfalt der menschlichen Stimme, die von Sängern ausgelotet wird, zustande kommt. Allmählich scheidet der persische Text jedoch aus seiner reinen Begleiterrolle aus und verwandelt sich in deutliche Worte und Sätze. Am Ende gehen die beiden Texte ineinander über.