Resonating Sculpture
(aus der Serie: Playing the Building)

„Ein bisschen staunen“
Ausschnitt aus einem Falterinterview mit Hartmut Skerbisch, geführt von Thomas Wolkinger, Falter 32/2008

Hartmut Skerbisch: … Aber mich interessiert eher, eine Form zu verwenden, die etwas über ihre eigene Substanz aussagt.

Thomas Wolkinger: Hat das etwas mit einem Staunen über Materialität zu tun? HS: Ja. Damit kann ich mich gleich identifizieren. Weil wir immer von Material umgeben sind und das als gänzlich selbstverständlich erleben und nicht mehr bewusst. Ein bisschen Staunen über Materialität – das soll es bewirken. Andererseits besteht das ganze Leben, die Natur daraus, physisch nicht vereinnahmt zu werden. Das Lebensprinzip ist ein Rausarbeiten aus dem Materiellen. Es verwendet Material und die erstaunlichsten Formen kommen zustande.

Playing the Building basiert auf der Idee, dass jedes Objekt seine eigenen Schwingungen produziert und diese nur hörbar gemacht werden müssen, meist metallische Strukturen auf Gebäuden oder das Gebäude selbst (wie z. B. am Kleinwasserkraftwerk Unterzeiring).

In Resonating Sculpture geht die Erforschung der Materialität weiterhin der Frage nach, wofür vorhandene Objekte neben ihrer ursprünglichen Intention verwendet werden können. Nicht die Gestalt, sondern die Funktion wird temporär verändert, erweitert. Sie wird zur Austrahlungs- und Empfangsantenne für elektromagnetische Wellen. Die Gestalt bestimmt, wie sich die Wellen ausbreiten können.

Eine Komposition wird mit Funktechnik und dem Lichtschwert als Antenne auf eine äußeren Einflüssen unterliegende Reise geschickt und an verschiedensten Orten dieser Welt wieder empfangen, aufgenommen, dort vielleicht auch aktiv verändert und dann an die Quelle, das Lichtschwert, zurückgesendet. Die erste Komposition besteht aus der unveränderten Komposition, die nachfolgende Kunstradiosendung entsteht durch die gesammelten Antworten und die Wiederausstrahlung dieses neu entstandenen Materials, dessen Erzeugung nicht wiederholt werden kann, weil
die Einflüsse von Wetter und Ionosphäre auf den Empfang nicht reproduzierbar sind.

Das Material der Skulptur. Jedes Material hat seine spezifische Schwingungsqualität, und diese bestimmt den Charakter des ausgestrahlten Klanges.

Das Wetter. Das Wetter – sowohl an der Sendestelle als auch an den Empfangsorten – beeinflusst die Komposition: Regen, Wolken, Wind spielen mit.

Die Zeit, genauer die Tageszeit. Die Ionosphäre ist der Reflexionsraum, in dem sich die Wellen bewegen. Die Sonneneinstrahlung bestimmt die Beschaffenheit der Ionosphäre, also die Anzahl der Ionen und damit die Ausbreitungsbedingungen und die sogenannte kritische Frequenz, f0. Dieser Zustand der Atmosphäre bestimmt also, wo die Raumwellen an der Ionosphäre reflektiert werden und dadurch, wo auf der Erde das Signal dann empfangen werden kann.

Die Ionosphäre ist also einem Tageslauf unterworfen; für den Zeitpunkt des Konzertes ist einerseits der sogenannte Greyline-Effekt möglich, andererseits schließen sich bereits die oberen Bänder während die tieferen Bänder noch nicht offen sind – daher sind die besten Ausbreitungsbedingungen im Frequenzbereich 40 m (etwa 7 MHz) zu erwarten.

Für den Nahbereich Graz bietet sich ein UKW Band an; in diesem ist es auch möglich,verschiedene Relaisstandorte anzusprechen und die Reichweite im Nahbereich zu vergrößern. Die Wahl einer Simplex-Frequenz soll gezielt HörerInnen im Großraum Graz ansprechen.

Die Sat-Anlage ist mit Antennen für das 2-mund das 70-cm-Band bestückt. In diesen Bändern tummeln sich eine Vielzahl von Amateurfunk- und Wissenschaftssatelliten, sodass interessante Empfangsergebnisse erwartet werden können.

Echolink erlaubt die Verbindung einer Amateurfunkstation mit dem Internet, um dadurch weit über die Reichweite der Funkwellen hinaus Kontakt zu anderen FunkamateuerInnen zu bekommen. Die Komposition der Resonating Sculpture wird unter anderem auch via Echolink über verschiedene Relaisstationen auf der ganzen Welt verbreitet.

Die Wellen. Die Komposition arbeitet mit elektromagnetischen Wellen, die ohnehin hier, präsent, anwesend sind. Antennen und Empfangsgeräte ermöglichen es, diese Wellen, Interferenzen, Schwingungen hörbar zu machen. Diese Geräte sind der Babelfish oder der intergalaktische Translator in ein anderes Frequenzspektrum.

Im Funkverkehr sind diese Wellen das, was man nicht will; sie sind Störungen, Überlagerungen, Rauschen. Es sind keine Fehler, aber dennoch ist es nicht das, was man anstrebt. Erst die Entscheidung, genau diese auch ohne mein Zutun vorhandenen Interferenzen zu verwenden und sie über das Trägersignal wieder hinauszuschicken, macht sie zum Kern
der Ausstrahlung. „Nur“ die Stärke, also die Intensität, unterscheidet den Klang von den ihn umgebenden Überlagerungen. Es ist so etwas wie das Nebenprodukt oder der Schatten, der zum Zentrum wird.

Es geht in diesem Fall also nicht um den Fehler als Erkenntnistrigger. “It is failure that guides evolution; perfection offers no incentive for improvement.” – Es ist der Fehler, der Evolution leitet; Perfektion bietet keinen Anreiz für Verbesserung. (Whitehead, © 1999. The Intuitionist. New York: Anchor Books). Sondern es geht um das Umfeld. Es geht auch um die
Aufhebung des Unterschieds zwischen Erfolg und Scheitern. Das Gesamte ist interessant. Es ist nicht die Erde einerseits und das Weltall „da draußen“ andererseits. Wie Carl Sagan sagte: “We are made of star stuff.” Es geht um das Zusammenspiel.

Die Empfangsantenne unterscheidet nicht zwischen künstlichen, also vom Menschen produzierten, elektromagnetischen Wellen und in der Natur vorhandenen. Sie nimmt auf und gibt weiter, hat ihren eigenen kleinen Anteil an der Klangveränderung, durch ihre Beschaffenheit und ihre Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Die Entstehungsgeschichte spielt also keine Rolle, beide haben Auswirkungen auf die Gegenwart. Das ist das Material, mit dem das Stück Resonating Sculpture arbeitet.

Musikalische Struktur. Das eingesetzte Werkzeug (Software quisk) erlaubt per Klick die Auswahl, also die Bewegung, zwischen verschiedenen Filtern, die jeweils eine eigene technische und damit auch klangliche Qualität haben. Die innere Struktur der Software basiert – im Gegensatz zur Wirklichkeit – auf Schritten, die das fließende Frequenzspektrum in einzelne Bereiche fragmentieren. Oder verschiedene Positionen, gewissermaßen Blickwinkel auf die vorhandenen Wellen,
ermöglicht. Das Stück baut also auf der Veränderung der Positionen auf. Der Charakter der Komposition in Schritten
ergibt sich also aus dem eingesetzten Werkzeug.

In der Performance am 4. Oktober am Lichtschwert selbst ist es die Auswahl, die ich treffe.

Zur gleichen Zeit nehmen FunkamateurInnen die vom Lichtschwert ausgestrahlten Signale auf, schicken sie zurück oder laden sie in einem Onlineinterface ins Netz, das ab 4. Oktober zur Verfügung steht. Diese Echos bilden das akustische Ausgangsmaterial für die Kunstradiosendung am 7. Oktober.

„Es ist nicht irritierend, zu sein, wo man ist. Es ist nur irritierend, zu denken, man wäre gern irgendwo anders“.
John Cage, Silence, (S. 22/S. 24, Suhrkamp, übersetzt von Ernst Jandl

Reni Hofmüller
Interpret/innen

Reni Hofmüller (A) Konzept, Musik
Christian Lammer (A) Funktechnik
Jogi Hofmüller (A) Streaming, Technik
Patrick Strasser (A) Funktechnik, Satelliten
Herwig Prott (A) Funktechnik

Kooperationen

Auftragswerk ORF Kunstradio & musikprotokoll und Teil der Serie Playing the Building.

Termine
Location
herbst Camp
Konzert
Uraufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2012 | Resonating Sculpture