ECAS/ICAS-Diskussion
ECAS/ICAS-Diskussion

ECAS/ICAS-Diskussion mit Rosa Reitsamer (A), Susanna Niedermayr (A), Oliver Baurhenn (D), Charlotte Bendiks (NO), Thomas Dumke (D) / DS-X.org (D).

Antichambre

Im Vorfeld zum heurigen Festival hat Susanna Niedermayr den Projektleiter Oliver Baurhenn zu einer Bestandsaufnahme getroffen. Niedermayr und Baurhenn moderieren auch gemeinsam ICAS-Radio, das nach extensiven Ausflügen nach Berlin, Tromsø, Montevideo und Montreal am 4. Oktober nun erstmals im Heimathafen Graz anlegen wird.

Susanna Niedermayr: Das CTM Festival, das du gemeinsam mit Jan Rohlf und Remco Schuurbiers leitest, war ja eines jener Festivals, die für die erste Arbeitsphase inhaltlich hauptverantwortlich waren. Was habt ihr in diesen eineinhalb Jahren gelernt?

Oliver Baurhenn: Das Thema war ja Festivals and Cultural Events as Living Laboratories. Der Hintergedanke hierzu war erst einmal eine Bestandsaufnahme und Hinterfragung des Formats „Festival“ oder „Event“. Der Lerneffekt war eher eine Erkenntnis, ein Verstehen, woher wir kommen und wie sich das Festivalformat auch anders denken lässt, als Arbeitsraum,
ausgestattet mit den nötigen Werkzeugen, die es uns ermöglichen entlang präziser Fragestellungen zu experimentieren. Wenn man also sein Festival als Labor versteht, dann wird auch die Kritik am Format Festival als „On-off-Event“ unterlaufen. Das finde ich interessant. Es geht bei diesem Ansatz eben nicht darum, einfach nur eine Leistungsschau der spannendsten KünstlerInnen aus dem jeweiligen Feld zu präsentieren. Wir versuchen durch die bewusste Verknüpfung einzelner Programmelemente neue Zusammenhänge herzustellen. Ein beinahe chemischer Prozess, der im Zweifelsfall auch zu einer Explosion führen kann.

SN: An welches Projekt denkst du besonders gerne zurück?

OB: Das CineChamber, das ja auch letztes Jahr beim musikprotokoll präsentiert wurde. Dann die Arbeit Between | You | and | Me von Anke Eckardt, die dieses Jahr beim musikprotokoll gezeigt wird, das Ergebnis unserer ersten Artist-in-Residence. Oder auch das für das Publikum nicht sichtbare Cultural-Worker-in-Residence-Programm, welches einen
Austausch von MitarbeiterInnen zwischen den beteiligten Organisationen fördert.

SN: Dank dem wir dieses Jahr auch noch Thomas Dumke, den Leiter des CYNETART Festivals, zu unserem Team zählen dürfen.

OB: Das Cultural-Worker-in-Residence-Programm ist ein Kulturaustausch besonderer Art, da es nicht um ein Praktikum geht, sondern um den Einsatz einer Person, die voll im Berufsleben steht und ihr Wissen in der Partnerorganisation einbringt, lernt, wie es bei anderen zugeht, und somit auch im Rückschluss eine neue Perspektive auf die eigene Arbeit und den eigenen Kontext erhält.

SN: Ich denke ja besonders gerne an unser erstes Partner-Meeting in Montevideo zurück, das Martin Craciun, unser dortiger Kollege, zum Anlass genommen hat, um das erste Festival für neue und experimentelle Musik in Uruguay zu gründen, das SOCO-Festival, das nun auch regelmäßig stattfinden soll. Die Eigendynamik, die sich hier entwickelt hat, hat meine Erwartungen mehr als erfüllt und das war schon eine sehr große Freude.

OB: In der Tat! Ich frage mich manchmal, was eigentlich dieses ganze Netzwerken so soll. Gelegentlich ist es einfach redundant, aber unser Partner-Meeting in Montevideo hat diesem einen klaren Sinn gegeben.

SN: Wo liegen deiner Ansicht nach die größten Schwierigkeiten, woran muss als nächstes gearbeitet werden?

OB: Hürden gibt es an einigen Stellen, aber die sind, denke ich, überwindbar. Die kooperierenden Organisationen sind qua Personal, finanzieller Ausstattung und thematischer Ausrichtung recht unterschiedlich aufgestellt, dies gilt es zu berücksichtigen aber auch auszugleichen. Hier muss auch die D.I.Y., also die Do-it-yourself-Schranke, überwunden
werden. Dauerhaftes Engagement ist nur möglich, wenn man sich nicht selbst ausbeutet. Dafür ist noch nicht genügend Selbstverständnis vorhanden. Ein weiterer Punkt ist der jeweilige eigene Anspruch. Hier bestehen diverse Unterschiede. Geht es mir darum, ein möglichst spannendes künstlerisches Programm zu erstellen, das sich allein auf dem Feld der Musik bewegt, oder will ich meine Performance-Inhalte auch kontextualisieren und durch Gespräche, Vorträge, Ausstellungen, Filmscreenings und Ähnliches erweitern? Setze ich thematische Schwerpunkte oder soziopolitische Fragestellungen an den Anfang meiner Veranstaltungsidee? Unser EU-Projekt erzwingt sozusagen ein Denken über den
Tellerrand hinaus, was dem einen leichter fällt als dem anderen.

SN: Während die zweite Arbeitsphase soeben langsam ausläuft, hat die dritte Arbeitsphase bereits angefangen, welche Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der dritten Arbeitsphase?

OB: Nach der Selbstreflektion aus der ersten Arbeitsphase, folgte das Nachdenken über die Verbindungen, einerseits innerhalb des kulturellen Feldes Musik, andererseits über die Verbindung des Feldes Musik mit den angrenzenden kulturellen Feldern.

SN: Und – um hier kurz unseren speziellen Fokus einzubringen – ein Nachdenken über die Frage, welchen Einfluss der Kontext auf die Kunst hat, – ästhetisch, soziopolitisch, musikalisch, …

OB: Exakt. Nun, die dritte Arbeitsphase fragt nach den Folgen der Allgegenwärtigkeit von Musik und Kunst im täglichen Leben, die den öffentlichen Raum, überhaupt alle Lebensbereiche ja immer mehr durchdringt. Und schlussendlich geht es auch wieder um die Frage, welche Rolle Festivals –Kulturveranstaltungen – hier spielen.

SN: Die Selbstreflexion bleibt ein tragendes Element ...

OB: … dies ist ja auch die Aufgabe von uns KuratorInnen, denn – meiner Meinung nach – kann es nur so für das Publikum zu spannenden, herausfordernden oder auch einfach wunderbar ästhetischen Erlebnissen kommen.

Susanna Niedermayr, Oliver Baurhenn
Kooperationen

In Kooperation mit CYNETART, CTM Festival, SOCO Festival, Skanu mez˘s, Unsound & Insomnia.

Termine
Location
herbst Camp – Lailas Bar
Diskussion
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2012 | ICAS Antichambre