Nebelsplitter
Nebelsplitter (2008)

Spiel mit Wirklichkeiten
Zur Musik von Elena Mendoza

Wer spielt, bewegt sich in anderen Realitäten. Von je eigenen Regeln strukturiert, offenen Ablaufs und ungewissen Endes, bietet das Spiel „Möglichkeiten einer außergewöhnlichen Gegenwart.
Martin Seel, Spielen heißt eine Imagination bewohnen.

Komponieren als Spiel – das ist mehr als eine Metapher. Es rückt den Handlungsaspekt, das Kunst-Machen in den Vordergrund und benennt einen essentiellen Antrieb auch im Schaffen der Komponistin Elena Mendoza: „Komponieren heißt auch, sich selbst einen Baukasten und ein Regelwerk zusammenzustellen, um anschließend damit zu spielen. Dieses Spielen ist auf der einen Seite „Ludus“, geht aber auch in tiefere Schichten hinein, es ist eben auch Wirklichkeitserfindung.“ Kunst also als der Ort, an dem Realitäten eigenen Rechts spielerisch entworfen, gesetzt und wieder kassiert werden können; als Ort, an dem , was uns als Wirklichkeit umgibt, sich plötzlich mit Alternativen konfrontiert sieht: Die Musik Elena Mendozas realisiert dieses Projekt mit Leichtigkeit und Emphase, mit außergewöhnlichem Klangsinn und struktureller Konsequenz.

Nebelsplitter beruht in Teilen auf Material von Mendozas Bühnenwerks Niebla, insbesondere auf einer Auswahl prägnanter Gestalten, die in allen vier Sätzen wiederauftauchen, deren Status aber zunehmend verunklart wird. Permanent zwischen parametrisch fixiertem und geräuschhaftdiffusem Klang changierend, durch kleinste Anstöße ineinander kippend und in anderer Form wieder auftauchend, inszenieren sie ein Spiel um Maskierung und Identität, das auf der klangfarblichen Ebene seine Fortsetzung findet Die Verwendung von Wisch- und Reibeklängen, erzeugt durch den Einsatz von Schlägeln, Gläsern und Bürsten im Klavierinnenraum, macht aus dem Tasten- unversehens ein Saiteninstrument. Diese Arbeit am Klang lotet ebenso die Grenzen zwischen Bekanntem und Unbekanntem, Primärem und Abgeleitetem aus, wie es auf der Ebene der Großform der Fall ist. Die vier Sätze sind als wechselseitige Kommentare angelegt; ständig einander berichtigend, erfinden sie klangliche Realitäten und durchkreuzen sie zugleich wieder: was der eine setzt, das stellt der andere in Frage. Wie Elena Mendozas Musik generell, halten sie so einen Horizont offen, in dem die philosophische Frage, ob denn die „reale Wirklichkeit“ tatsächlich einen höheren Realitätsgehalt habe als die fiktive Wirklichkeit des Spiels, sinnlich erfahrbar wird.

Markus Böggemann und Rainer Pöllmann
Interpret/innen

Elena Mendoza (E), Komposition
ensemble recherche (D)
Ashot Sarkissjan, Violine
Klaus Steffes-Holländer, Klavier
Barbara Maurer, Viola

Kooperationen

Hinweis zum Text: Gekürzter Booklet-Text der CD Nebelsplitter, erschienen bei KAIROS www.kairos-music.com

Termine
Location
Helmut List Halle
Konzert
Österreichische Erstaufführung
Dieses Werk gehört zu dem Projekt:
musikprotokoll 2009 | ensemble recherche /2009